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und soll bei einer Entfernung von 700 km von der Küste noch 300 m breit und 4m tief
sein. Ob diese Zahlen nicht etwas reichlich gegriffen sind, wird ja die Expedition der
Deutschen Kolonialgesellschaft feststellen, die überhaupt die Grundlage für ein weiteres,
nach Süden gerichtetes Vordringen abgeben wird.
In unmittelbarer Nähe der Mündung des Kaiserin-Angusta-Flusses, auch in die
Brecherbai, ergießt sich der zweite große, ebenfalls weit hinauf fahrbare Fluß Kaiser-
Wilhelms-Landes, der Ramu. Er kommt von der entgegengesetzten Richtung und ent-
springt in dem südlich der Astrolabebei gelegenen Berglande. Durch diese beiden Flüsse
werden Landstrecken von weit über 1200 km Länge erschlossen. Was eine so leichte
Zugänglichkeit späterhin in wirtschaftlicher Beziehung bedeutet, liegt auf der Hand.
Kleinere, aber doch für die lokale Erschließung nicht unwichtige Flüsse in der östlichen
Hälfte der Kolonie sind der Kabenau= und der Markhamfluß.
Das Klima Kaiser-Wilhelms-Landes ist natürlich kein einheitliches. Bekannt ist
es nur in den Küstenregionen, wo es sich durchschnittlich als recht wenig gesund für den
Nichteingeborenen erwiesen hat. Die mittlere Durchschnittstemperatur beträgt hier
etwa 260 C und zeigt außerordentlich geringe Schwankungen, so daß der längere Aufent-
halt in diesem Klima stark erschlaffend auf den Organismus des Weißen einwirkt, ganz
abgesehen davon, daß Malariafieber in schwersten Formen auftritt und besonders in
früheren Jahren unter der weißen Bevölkerung stark aufgerämt hat. Die sanitären
Verhältnisse sind jedoch in letzter Zeit ganz wesentlich besser geworden, nicht nur weil
es jetzt möglich ist durch die Kochsche Chininprophylaxe mancher Fiebererkrankung
vorzubeugen, sondern vor allem dadurch, daß die Niederlassungen von den sie umgebenden,
teils sumpfigen Buschdickichten gesäubert wurden.
Das Klima im Innern des Landes ist natürlich ganz anders geartet und zweifellos
günstiger für den Weißen. Die größeren Erhebungen haben geringere Temperaturen
zur Folge, und sicher wird es in den Bergländern auch ausgedehnte malariafreie Gebiete
geben. Es fallen überall sehr reichliche Niederschläge, die an der Küste durchschnittlich
zwischen 3000 und 4000 mm betragen und mit den Höhen stark zunehmen bis zu 7000 mm
und darüber.
Daß bei so großen Niederschlagsmengen, die sich keineswegs auf die sog. Regenzeit
(Oktober-April/Mai) beschränken, sondern auch auf die anderen Monate, wenn auch in
geringerem Maße, verteilen, und bei so hohen gleichmäßigen Temperaturen die Vege-
tation eine ungehener üppige sein muß, liegt auf der Hand. Ein einziger dichter Urwald,
der durch Liauen, Farne, Rotang und Bambusgestrüpp zu einem ohne Axt und Messer
meist undurchdringlichen Ganzen zusammengewachsen ist, deckt nicht nur die weiten
Alluvialgebiete und die zum Teil erst wenig verwitterten Lavaböden, sondern klimmt
auch an den steilsten Bergwänden hoch, trotzdem die Waldriesen oft nur eine dünne
Krume zu ihrer Nahrung vorfinden und sich durch Kulissenwurzeln den nötigen Halt
geben müssen. Der Artenreichtum der Vegetation ist ungeheuer, die südasiatische, die
ozeanische und die festländisch-anstralische Flora greifen in Neugninea ineinander über,
und nebenher finden sich zahlreiche einheimische Arten.
Die Tierwelt Kaiser-Wilhelms-Landes zeigt ähnliche Ubergangserscheinungen von der
südostasiatischen Fauna zur australisch-ozeanischen. Von den 75 Arten von Sängetieren
sind nicht weniger als 23 Arten Fledermäuse und 40 Benuteltiere vertreten, darunter
einige Baumkänguruhs. Die heute vorhandenen Ratten, Mäuse, Hunde und Schweine
sind erst durch die Menschen eingeführt worden. Größere Sängetiere sind nicht vorhanden.
Außerordentlich zahlreich an Arten wie an Einzelindividuen ist die Vogelwelt, die sich
zudem durch eine seltene Pracht des Gefieders auszeichnet. Neuguinca ist die Heimat
der Paradiesvögel, deren es dort über 50 Arten gibt. Die vielbegehrten Bälge bilden
einen wertvollen Handelsartikel, und die Paradiesvogeljagd hat manchem weißen
Ansiedler über die Nöte der ersten Jahre hinweggeholfen. Aus Furcht, die Tiere möchten
ausgerottet werden, und aus einer gänzlich unmotivierten Sentimentalität wird neuer-
dings in Deutschland Stimmung dafür gemacht, diese Jagd gänzlich zu untersagen.