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Sehr zu Unrecht; denn es ist bei diesem großen Lande, das ja überdies nur zu einem
kleinen Teile den Paradiesvogeljägern zugänglich ist, eine Vernichtung der Vögel über-
haupt ausgeschlossen. Allerdings hat ihre Zahl in den bewohnten Küstengebieten ab-
genommen, teils infolge Abschusses, teils auch infolge Fortzugs in sicherere Gegenden.
Möge man dem Paradiesvogel einen Schntz geben durch Festlegung bzw. Verlängerung
einer Schonzeit, die Jagd aber vollends unterbinden, wäre eine, das wirtschaftliche
Leben der weißen Ansiedler schädigende, sachlich unbegründete Maßnahme, es sei denn,
daß man überhaupt jede Nutzjagd als humanitätswidrig untersagen wollte.
Neben dem Paradiesvogel werden die Wälder von zahlreichen Papageien, ins-
besondere den Kakadus, Tauben, Fliegenfängern und Honigfressern belebt. Singvögel
dagegen sind seltener. Besonders charakteristisch ist anch der Kasnar.
Von den in Kaiser-Wilhelms-Land lebenden Reptilien sei eine Riesenschlange
erwähnt, die neben einer Anzahl giftiger Schlangen keine angenehme Beigabe der
Fauna unserer Kolonie bildet. Doch treten Schlangen im allgemeinen nicht in lästiger
Weise anf. Hänfiger kommt das in Westozeanien überall vertretene indische Leisten-
krokodil vor.
Die eingeborene Bevölkerung Neugnineas steht zu den Urbewohnern des austra-
lischen Festlandes in einem gewissen Verwandtschaftsverhältnis. Beide haben mit-
einander den negroiden Typ, die dunkle, manchmal fast schwarze Hantfarbe und das
wollige Kopfhaar gemein. Allerdings haben an der Küste ganz offenbar gelegentliche
Rassenmischungen stattgefunden, sowohl von Osten her mit polynesischen und verwandten
Völkern, als von Westen her mit den Malaien. So kommt es denn, daß bei den Küsten-
bewohnern, aber auch nur bei diesen, neben der schwarzen Hantfarbe gelbgraue und
braunschwarze Schattierungen zu sehen sind.
Der Kulturzustand der Eingeborenen, welche mit dem Sammelnamen „Papnas“
bezeichnet sind, ist noch ein sehr niedriger und dürfte im allgemeinen etwa dem mserer
Vorfahren während der Steinzeit entsprechen. Der Kunstsinn, der sich zwar noch in
kindlich naiver Weise äußert, ist aber, wenigstens bei den Bewohnern der Küste, doch
schon ziemlich entwickelt. Schilde, Speere, Götzen, Tanzgerät, die Pfosten der Ver-
sammlungshäuser usw. sind oft mit reichen Schnitzereien und Malereien, bei der die
weißen und roten Farben vorherrschen, versehen. Dagegen ist die Lebensführung der
Papuas fast überall von der tierischen nicht weit entfernt.
Es ist unmöglich, eine einheitliche Charakterisierung der Papnas zu geben. Einheitlich
ist allerdings die stark ausgeprägte Neigung aller Stämme zum Menschenfraß. Wo
das Sexualleben überhaupt eine gewisse Prägung und Regelung erfahren hat, herrscht
Polygamie. Dabeli ist es gar nichts so Seltenes, daß ein Papna eine seiner Frauen einem
Nachbarn als Festbraten zum Geschenk macht, nachdem er ihrer überdrüssig geworden ist
und er sie gut gemästet hat, natürlich anf dieselbe Gegenleistung rechnend. Aber auch
Schweinefleisch wird hoch bewertet, was am besten die häufig beobachtete Tatsache zeigt,
daß Mütter neben ihrem Kinde oder an Stelle eines solchen ein Ferkel an der Brust
großziehen. Es ist während der Zeit der verhätschelte Liebling seiner menschlichen
Ziehmutter und deren Hansgenossen.
Die häufigen Kriegszüge gegen die Nachbardörfer dienen in erster Linie dazu, die
Kochtöpfe zu füllen. Waffen sind Speere und Pfeile mit meist vergifteten Stein-,
Muschel= und Fischgrätenspitzen und Keulen. Selten kommt es zu offenem Kampfe;
man sucht den Gegner zu überrumpeln und zieht sich dann mit der Beunte möglichst
schnell wieder zurück. So herrscht meist ein ewiger Kriegszustand; denn der Unterlegene
sucht bei günstiger Gelegenheit Nache am Sieger zu nehmen uff. Nur im kleinen Umkreise
leben die Bewohner mehrerer Dorfschaften in Frenndschaft miteinander. Um sich vor
plötzlichen Uberfällen zu schützen, haben manche Gemeinden ihre Häuser hoch oben auf
den Bäumen oder als Pfahlbanten im Seichtwasser der Meeresküste oder der Flußufer
errichtet. Es fiuden sich aber auch viele geschlossene Dörfer mit großen schönen, hoch
bedachten Häusern, die auf den Boden gebaut sind.