Full text: Deutschland als Kolonialmacht.

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verzichteten sie auf eine Anteilnahme an den Regierungsgeschäften. Selbst ein 
gleich in den ersten Jahren von Bismarck gemachter Versnch, den Kaufleuten in 
Kamernn und Togo durch Bildung von Verwaltungsräten einen Einfluß auf die 
Geschäftsführung der Kommissare zu ermöglichen, hatte keinen Erfolg. Erst mit 
der stärkeren Zunahme der weißen Bevölkerung in den Schutzgebieten, etwa seit 
der Zeit der Jahrhundertwende, brach sich der Selbstverwaltungsgedanke mehr 
und mehr Bahn. Um ihm entgegenzukommen, wurde im Jahre 1903 durch eine 
Verfügung des Reichskanzlers in sämtlichen afrikanischen und Südseeschutzgebieten 
die Bildung von Gouvernementsräten angeordnet, wobei die englischen „legis- 
lative councils“ und die französischen „Conseils de gouvernement“ (oder d’admini- 
stration) als Vorbild dienten. Den Gouvernementsräten, die periodisch zu Sitzun- 
gen zusammentreten, gehören der Gouverneur, der den Vorsitz führt, eine Anzahl 
von höheren Schutzgebietsbeamten (als amtliche Mitglieder) sowie eine Anzahl 
von weißen Einwohnern des Schutzgebiets (als außeramtliche Mitglieder und deren 
Stellvertreter) an. Die Zahl der amtlichen Mitglieder darf diejenige der nichtamt- 
lichen nicht übersteigen. Der Gouverneur bestimmt die Beamten und beruft auch 
die nichtamtlichen Mitglieder auf Grund gutachtlicher Anhörung der Berufkreise. 
Den Gouvernementsräten sind die Voranschläge für den jährlichen Haushaltsetat 
vorzulegen und ferner die Entwürfe der von den Gouverneuren zu erlassenden 
oder in Vorschlag zu bringenden Verordnungen, soweit sie nicht lediglich lokale 
Bedeutung haben. Es steht den Gouverneuren auch frei, den Gouvernements- 
räten andere Angelegenheiten zur Beratung zu unterbreiten, und ebenso können 
die Mitglieder Anträge stellen. Die Gouverneure sind aber an das Ergebnis der 
Beratung in keinem Falle gebunden. Etwas abweichend ist der Gonvernements- 
rat in Kiautschon zusammengesetzt. Dort gehören ihm anßer dem Gouverneur 
gewisse Beamte und Offiziere kraft ihres Amtes ohne weiteres an. Den außer- 
amtlichen Mitgliedern entsprechen hier die Bürgerschaftsmitglieder, von denen 
drei (je ein Firmen-, Grundeigentümer= und Handelskammervertreter) durch die 
Interessenten gewählt werden und ein vierter durch den Gouverneur ernannt wird. 
Das Recht, bei der Berufung der außeramtlichen Mitglieder durch eine Art Wahl 
mitzuwirken, ist neuerdings auch der Bevölkerung von Deutsch-Ostafrika zuge- 
standen worden. Dort werden jetzt von den für wahlberechtigt erklärten ein- 
gesessenen Einwohnern in drei Wahlbezirken je zehn, also im ganzen 30 Per- 
sonen gewählt, aus deren Zahl der Gouverneur fünf außeramtliche Mitglieder 
und fünf Stellvertreter jedesmal auf die Daner von zwei Jahren beruft. Ferner 
ist inzwischen in Deutsch-Südwestafrika an die Stelle des Gouvernementsrates ein 
„Landesrat“ getreten, dessen Organisation sich wesentlich von derjenigen der Gou- 
vernementsräte unterscheidet. Er ist zum Teil auf der Grundlage der für das 
Schutzgebiet eingeführten Kommunalverfassung aufgebant. Abgesehen von dem 
Gouverneur als Vorsitzenden gehören ihm gewählte und ernannte Mitglieder an. 
Jeder Bezirksverband wählt ein Mitglied hinein und außerdem ernennt der Gou- 
verneur eine gleiche Zahl von Mitgliedern nach freiem Ermessen. Er kann auf 
diese Weise auch Beamte und Offiziere berufen. Die Mitgliedschast dauert fünf 
Jahre. Der Landesrat ist zunächst, wie die Gouvernementsräte, beratendes Organ 
für die jährlichen Voranschläge des Haushaltsplanes, für Verordnungen und sonstige 
ihm von dem Gouverneur zur Beratung vorgelegte Angelegenheiten sowie für 
Anträge, die er selbst stellt. Außerdem ist er aber auch beschließendes Organ, 
und zwar einmal für alle seiner Beschlußfassung vom Reichs-Kolonialamt über- 
wiesenen Angelegenheiten und sodann für Verordnungen über bestimmte Gegen- 
stände. Es bedürsen nämlich Verordnungen des Gouverneurs, die sich beziehen auf 
die Bekämpfung von Seuchen unter Menschen und Tieren, das Wege= und Wasser- 
recht, das Jagdrecht, die Land= und Forstwirtschaft und die Viehzucht sowie die An- 
werbung und die Dienst- und Arbeitsverhältnisse der Eingeborenen vor der Ver- 
   
	        
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