Full text: Deutschland als Kolonialmacht.

dd — 8 . 
Erwerb und Behauptung. 
Die Stadt Kiantschon, nach der unser Schutzgebiet seinen Namen hat, war einst 
eine blühende Handelsstadt an dem Strande der nach ihr benannten Bucht. Infolge der 
zunehmenden Entwaldung ist die Bucht allmählich durch Schwemmland verkleinert 
worden, und Kiantschou liegt jetzt 8km landeinwärts, außerhalb der Schutzgebietsgrenze. 
Ihr Hafenort ist Taputon, das noch zum Pachtgebiet gehört. Die großen Seedschunken 
müssen jedoch 10 km von diesem Ort entfernt ankern. Der weitere Verkehr wird durch 
flache Kähne vermittelt, anderen Fahrzeugen ist die Fahrt auf der schmalen und ge- 
wundenen Fahrstraße durch das Wattenmeer nicht möglich. Hier sehen wir die schädlichen 
Folgen einer rücksichtslosen Waldvernichtung. Früher muß das anders gewesen sein, denn 
sonst ist uns die große Bedeutung, die Kiantschon in der Geschichte gehabt hat, nicht 
erklärlich; sie hat ihren Namen von der Kian-Barbaren, Ureinwohnern des Landes, 
die im 6. Jahrhundert v. Chr. von den von Westen vordringenden Chinesen unterjocht 
wurden. Im 9. Jahrhundert n. Chr. wird von einem arabischen Schriftsteller ein Ort 
Kantu als der nördlichste von seinen Landsleuten besuchte Hafen Chinas erwähnt. 
Nach Richthofen soll mit Kantu nichts anderes als Kiautschon gemeint sein, das damals 
den Zwischenplatz für den Handel mit Korca bildete. In den chinesischen Chroniken 
wird jedoch nichts von diesem Handel mit Korea erwähnt, auch war damals die Stadt 
Kiautschon nur ein Marktflecken. Ihre Blüte sollte die Stadt erst zur Zeit der Sung- 
dynastic erleben (900 bis 1120), sie wird da auch als Einschiffungshafen für Korea ge- 
nannt. Ihre Handelsverbindungen erstreckten sich zur See nach Kanton, Fukien und 
Tschekiang, der Binnenhandel über Schantung bis nach Tschili und Honan. 
Die Brandschatzungen der Küste durch die japanischen Secräuber, sowie die nicht 
ganz ungefährliche Fahrt um das stürmische Vorgebirge von Schantung, veranlaßten 
den ersten Herrscher der Mongolendynastie Kublai Khan (1260 bis 1294) im Jahre 1280 
den Ban eines Kanals zu veranlassen, der Kiantschon unmittelbar mit dem inneren 
Gelben Meer verbinden sollte. Es mag dabei auch der Gedanke an eine sichere Beför- 
derung des Tributreises aus dem Süden nach der Hauptstadt Peking den Anstoß gegeben 
haben. Man benntzte bei der Anlage dieser Wasserstraße die schon erwähnte Kian--lai- 
Senke, in der zwei Flüsse, der nach Süden fließende in die Bucht von Kiantschon mündende 
Kiau-ho und der in die Bucht von Lai-tschon-fn mündende nach Norden fließende Lai-ho 
sich nähern. Die Länge des Kanals gibt Tschepe S. J. in seinem Aufsatz „Aus Tsingtaus 
Vergangenheit“ auf 300 li (— 150 km) an, eingeschlossen sind hierbei die kanalisierten 
Flußlänfe. Die Banzeit nahm fünf Jahre in Anspruch, aber die Mühe hatte wenig 
Erfolg. Die Wassertiefe betrug nur 3 Fuß, so daß größere Sceschiffe ihn nicht benutzen 
konnten, außerdem machten dice eindringenden Sandmassen ihn bald unbrauchbar. 
Uberreste des jetzt trockenen Kanals existieren noch und lassen die Sorgfalt erkennen, 
die auf seine Herstellung verwendet wurde. Auch zur Zeit der Mingdynastie 1537 werden 
Arbeiten an dem Kian-lai-ho (d. h. dem Kanal zwischen Kiautschon und Laietschou-fu) 
erwähnt. Im Jahre 1290 wurde Kiautschon von der Last der Beförderung des Tribut- 
reises befreit, die unn auf dem Kaiserkanal geschah, sobald aber Unordnungen in diesem 
Kanal eintraten, wurde Kiantschon als Ersatz herangezogen, zum Schutz des Hafens 
gegen die japanischen und chinesischen Seeräuber wurde auch 1373 die Festung Ling- 
schan-wei, auf der südlichen Halbinsel der Bucht, außerhalb unsere Gebietsgrenze gelegen, 
erbaut. So blieb Kiantschon trotz der zunehmenden Versandung seincs Hafens, über 
die besonders während der letzten Dynastie geklagt wird, immer noch eine bedeutende 
Stadt, die maritime Eingangspforte für Schantung. Wir sind absichtlich etwas ein- 
gehender auf seine Geschichte, gerade während seiner Blütezeit, eingegangen, um zu 
zeigen, was Kiantschon war und was es wieder werden soll. 
Den Mittelpunkt des Handels in Schautung bildete die Stadt Wei.hsien, an der 
Eisenbahn Kiantschou—Tsinanfu, 100 km von Kiautschon entfernt gelegen, wohin früher 
eine der Hauptstraßen des Landes führte. Die Kanfleute von Weiehsien übernahmen 
   
—————# 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.