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die Verteilung der Importe aus den südlichen Provinzen nach dem Binnenland, und
sammelten ihrerseits die Exporte, um sie nach Kiantschon zu bringen, wozu wohl zeit-
weise der Kianu-laiho benutzt wurde.
Als im Jahre 1860 der Fremdhandel einen Platz zur Niederlassung in Schautung
suchte, beging man den Mißgriff, Kiautschon zu übersehen und Tschifn zu wählen, wahr-
scheinlich weil dieser Ort für die Dampfschiffe eine Etappe aus dem Wege nach Peking
bildete. Die chinesischen Kaufleute aus Wei-hsien mußten nun dorthin gehen, um fremde
Waren sowie die Güter aus dem Süden in Empfang zu nehmen, während der alte Hafen
Schantungs, Kiautschon, verödete, weil dort überhaupt kein Dampfer anlegte. Die
Verbindung Tschifus mit den Produktionszentren des Hinterlandes war zwar lang-
wierig, kostspielig und unbequem, aber sie war nun erforderlich. So verlor Kiautschon
seine Bedentung, Tschifu kam dennoch nicht zur Blüte, und die Provinz litt darunter,
daß ihr gutgelegener und altgewohnter Eingangshafen ihr entzogen war. Die chinesische
Regierung hatte keine Neigung ändernd einzugreifen; die Bucht von Kiantschon wurde
zwar zu einem Stützpunkt für die Flotte ausersehen und 1891 auf Vorschlag von Lihung-
tschang oberflächlich befestigt und vier Truppenlager für eine Garnison von 3000 Mann
angelegt, das von einem deutschen Ingenieuroffizier im Auftrage der chinesischen
Regierung ausgearbeitete Projekt einer permanenten Befestigung kam nicht zur Aus-
führung. Dem Ort aber seine frühere Bedeutung wiederzugeben, davon war keine
Rede. Erst das Eingreifen einer fremden Macht sollte eine Anderung herbeiführen.
Schon lange war es die Absicht der deutschen Regierung gewesen, dem ständig
zunehmenden blühenden Handel die nötige Sicherheit durch die Anlage eines Stütz-
punktes zuteil werden zu lassen, der auch den Schiffen — in erster Linie den Kriegs-
schiffen — die Möglichkeit einer sicheren Reparatur gewährleisten sollte. Ein solcher
Stützpunkt mußte natürlich, abgesehen von anderen Anforderungen technischer wie
militärischer Art, die Aussicht bieten, sich zu einem Handelsplatz entwickeln zu lassen,
im die Anlagekosten bezahlt zu machen. Der schon mehrfach erwähnte Geograph
Frhr. v. Richthofen lenkte die Aufmerksamkeit der Regierung auf die Bucht von Kiantschon,
die er, ohne sie auf seinen Reisen in Schantung berührt zu haben, als vollkommen
geeignet für die dentschen Interessen bezeichnete. Die Untersuchungen des Hafenbau-
direktors G. Franzius im Jahre 1897 an Ort und Stelle bestätigten die Ansichten von
Richthofen. Als nun im November 1897 die deutschen Missionare Nies und Henle in
Schantung von dem fanatischen Pöbel ermordet wurden, griff die deutsche Regierung
zum Schutz der katholischen Mission in Schantung ein, erwirkte von der chinesischen
Regierung das Versprechen völliger Genugtnung und ließ als Bürgschaft für die Er-
füllung dieses Versprechens von dem Krenzergeschwader unter dem Befehl des Admirals
von Diederichs Tsingtau besetzen, was am 14. November 1897 erfolgte. Die überraschten
chinesischen Tiuppen leisteten keinen Widerstand.
Da der Bischof von Anzer im Jahre 1890 seine Mission in Schantung unter den
Schutz des Deutschen Reiches gestellt hatte, so war ein Eingreifen berechtigt. Früher
hatte Frankreich das Vorrecht, die Schutzmacht sämtlicher katholischen Missionen im
Ausland zu sein, für sich in Anspruch genommen, ein Vorrecht, das noch aus den Zeiten
des Königtums hergeleitet wurde, wo die Herrscher dieses Landes den Titel eines „Rex
christianissimus,, führten. Daß sich Bischof von Anzer von den Fesseln einer solchen
nicht mehr zeitgemäßen Uberlieferung losgemacht hat, war eine Folge der wachsenden
Macht des jungen Deutschen Reiches.
Die diplomatischen Verhandlungen zwischen unserem Gesandten in Peking, Baron
v. Heyking, und der chinesischen Regierung führten am 6. März 1898 zum Abschluß des
Kiautschonvertrages, dessen wichtigste Punkte folgende sind:
Pachtweise UÜberlassung des heutigen Kiantschongebietes auf 99 Jahre an
Deutschland. Die chinesische Regierung tritt ihre Hoheitsrechte ab. Eine Pachtsumme
wurde nicht vereinbart.
Abgrenzung einer neutralen Zone von 50 km Breite um die Bucht herum, inner-