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Der Bahnverkehr wurde beschränkt, teilweise sogar eingestellt, und das gesamte
Stadtgebiet gegen das Landgebiet sowie dieses gegen das Hinterland militärisch ab-
gesperrt. Ein erfreuliches Zeichen war es, daß sich die chinesische Bevölkerung, von
der Notwendigkeit der Maßregeln überzengt, an der Sperre beteiligte. Dank ihr blieb
auch das Schutzgebiet von der schrecklichen Seuche glücklich verschont, obwohl unmittelbar
an der Grenze Pestfälle vorkamen.
Nach zehnjähriger erfolgreicher Tätigkeit schied der Gonverneur v. Truppel am
14. Mai 1911 von seinem Posten. Als Belohnung für seine Verdienste zeichnete ihn
S. M. der Kaiser durch die Verleihung des erblichen Adels aus. Sein Nachfolger wurde
Kapitän z. S. Meyer-Waldeck, der schon von 1908 an als Chef des Admiralstabes im
Schutzgebiet tätig gewesen war.
Damit sind wir in die unmittelbare Gegenwart eingetreten, deren Geschichte zu
beschreiben am schwierigsten ist. Im Jahre 1911 brach die Revolution in China aus,
die den unrühmlichen Sturz der Dynastie herbeiführte, und deren Folgen noch nicht
abzusehen sind. Unser Schutzgebiet bot vielen höheren Beamten der ehemaligen Kaiser-
lichen Regierung eine sichere Zufluchtsstätte, allein fünf frühere Generalgouverneure
hielten sich zeitweise in Tsingtan auf, und mancher hat sich dort Grund und Boden
zur dauernden Niederlassung erworben. Es soll hier unerörtert bleiben, welche poli-
tischen Folgen die Umsturzbewegung haben könnte, unsere Politik ist uns durch die
Worte unseres Herrschers vorgezeichnet, die sich bis jetzt als sichere Richtschnnr bewährt
haben und es auch in Zukunft sein werden: „Möge jedem, mit dem wir zu tun haben
werden, klar sein, daß der deutsche Michel seinen mit dem deutschen Reichsadler ge-
schmückten Schild fest auf den Boden gestellt hat, mm dem, der ihn um Schutz angeht,
ein für allemal diesen Schutz zu gewähren.“ Dies möge auch den Schwarzsehern zum
Trost gesagt sein, die nach dem Russisch-Japanischen Kriege auf die isolierte Lage unseres
Schutzgebietes und seine Wehrlosigkeit hinwiesen. Dies ist keineswegs der Fall und nur
geeignet unnütze Bennruhigung hervorzurufen. Die Behauptung unserer sämtlichen
Kolonien wird schließlich nur von unseren Erfolgen auf europäischem Boden und in
europäischen Gewässern abhäugen.
Wirtschaftliche und Verkehrseinrichtungen.
Im Gegeusatze zu der Inselstation der englischen Kolonie in China, Hongkong,
deren Hinterland die Küste, nicht das Binnenland ist, und die infolgedessen auf einen
ausgedehnten Durchgangsverkehr zur See angewiesen bleibt, kommt für Kiautschon
an erster Stelle die wirtschaftliche Entwicklung des Binnenlandes, die Erleichterung
seiner Verkehrsmittel, die Förderung seiner Ausfuhrgegenstände und im Zusammen-
hange damit die Hebung der Aufnahmefähigkeit für Waren der Einfuhr in Betracht.
Das deutsche Kiantschongebiet ist wirtschaftlich ein Teil des deutschem Kapital und
dentscher Tätigkeit geöffneten Gebietes der Provinz Schautung. Ohne Eisenbahnen
in der chinesischen Provinz ist das dentsche Schutzgebiet nicht lebensfähig, ohne Kohlen
kann die Bahn nicht bestehen. Alle Faktoren wirken zusammen und bedingen sich gegen-
seitig. „Kiautschon ist anders zu bewerten wie unsere übrigen Kolonien. Nicht um die
Ausbentung eines möglichst ansgedehnten deutschen Ländergebietes durch deutsche
Ansiedler handelt es sich, sondern um die Anbahnung von Handelsbeziehungen mit dem
chinesischen Reiche unter deutscher Leitung und deren Konzentrierung auf ein für die
notwendigen Hafenaulagen, Befestigungen und Geschäftseimichtungen ausreichendes
Arcal.“ In diesen Worten, entnommen dem Vortrage des Geh. Admiralitätsrates
Dr. Schrameier über Kiantschon, ist das Programm der wirtschaftlichen und Verkehrs-
entwicklung unseres Schutzgebietes enthalten.
Der sehr beliebte Hinweis auf englische Kolonien als Muster für Deutschland hat
nur bedingten Wert, nicht sklavische Nachahmung, sondern Anwendung der dort ge-
zogenen Lehren und Erfahrungen nuß unsere Aufgabe und Pflicht sein. Keine Kolonie