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gleicht der anderen, und das seegewaltige Albion hat auch seine Fehler begangen.
Schon die Betrachtung der Bodenpolitik wird uns dies bestätigen. Um nämlich zu
verhüten, daß durch das Großkapital ostasiatischer Firmen Land zu Spekulationszwecken
angekanft wurde, erließ am Tage der Besitzergreifung Admiral v. Diederichs eine
Proklamation, welche jeden Landverkauf bis auf weiteres verbot. Die Regierung kanft
selbst das Land zu den ortsüblichen Preisen auf und verkauft es parzelliert in öffent-
licher Versteigerung weiter, sofern das Gelände nicht zu fiskalischen Zwecken gebraucht
wird. Die einzige direkte Steuer des Schutzgebietes, die Grundstener, beträgt 6 Proz.
des gemeinen Wertes, d. h. des Kaufpreises und der alle drei Jahre vorgenommenen
Schätzung. Jeder Käufer hat die Bebauungspflicht, bei deren Nichtinnehaltung eine
zunehmende Steuererhöhung eintritt. Beim Eigentumswechsel eines Grundstückes
oder nach 25 Jahren hat das Gouvernement das Recht, eine Wertzuwachssteuer von
33½ Proz. zu erheben. Das Verdienst, diese in bodenreformerischen Kreisen berühmt
gewordene Landordnung eingeführt zu haben, gebührt dem schon erwähnten Dr. Schra-
meier, der von 1897 bis 1900 als Kommissar für chinesische Angelegenheiten im Schutz-
gebiet tätig gewesen war. Mit diesen Maßregeln war jede Landspekulation größeren
Maßstabes ausgeschlossen und zugleich das englische Muster, das uns Hongkong bietet,
folgerichtiger durchgeführt als dort. Ferner wurden im Interesse einer Scheidung zwischen
Chinesen und Nichtchinesen getrennte Niederlassungen eingeführt. In dem eigent-
lichen Stadtgebiete dürfen Chinesen nur als Angestellte oder Dienstboten wohnen,
während zu dauerndem Aufenthalte für Arbeiter die Dörfer Tai-tung-tschen und Tai-
hsi-tschen und für Kaufleute Ta-pan-tau, alle drei in der Nähe von Tsingtau, errichtet
wurden. Den Anlaß bot eine unter der ursprünglich vorhandenen und zugezogenen
Bevölkerung von Tsingtau im Sommer 1899 ausgebrochene Flecktyphusepidemie.
Den Chinesen ist es gestattet, dort in nach chinesischer Art errichteten Häusern zu wohnen,
jedoch unter Innehaltung gewisser ortspolizeilicher Bestimmungen, die im Interesse
der allgemeinen Gesundheitspflege notwendig sind. Das Land ist daselbst gegen Ent-
richtung einer geringen jährlichen Pacht vergeben, unter der Bedingung, daß es jederzeit,
falls eine Epidemie dort ausbrechen oder der Gesundheitszustand der Kolonie einen
Abbruch der Häuser wünschenswert machen würde, in den Besitz des Gonvernements,
mit allem, was darauf entstanden sei, zurückfallen solle. Wenn sich Tsingtan jetzt dem
Besucher in einem so gefälligen, freilich noch etwas reichlich bemessenem;, Gewande
darbietet, und als eine der gesündesten Städte Ostasiens gilt, so ist dies lediglich eine
Folge dieser Eingeborenenpolitik. Allerdings ist man in der letzten Zeit infolge der
politischen Ereignisse zu Zugeständnissen bereit gewesen, deren etwaige Nachteile man
aus merkantilen und politischen Beweggründen in Kauf nehmen muß. Es ist einigen
wohlhabenden Chinesen der Ankauf von Grungstücken in dem europäischen Stadtteile
gestattet worden. Eine allzu starke Einwanderung von Chinesen würde zu einer Be-
schränkung und Verdrängung der Enropäer führen, also Nachteile zeitigen, unter denen
Hongkong und Schanghai leiden, es ist also Vorsicht geboten.
Um dem Handel jede mögliche Förderung zuteil werden zu lassen, wurde Tsingtau
1898 zum Freihafen erklärt und ein chinesisches Zollamt für die nach dem# Binnenlande
bestimmten Güter errichtet, mit Anschluß an die chinesischef Seezollverwalting. Es
war lediglich eine logische Folgerung, daß seit dem 1. Januar 1906 Tsingtau mit China
in Zollunion trat. Es unterliegen also sämtliche in Tsingtau eingeführten Waren der
Zollpflicht und entgehen damit den zeitraubenden Formalitäten bei der Weiterbeförde-
rung nach dem IJnnern. Als Vergütung dafür, daß fortan die im Schutzgebiet selbst
verbrauchten Waren mit Zoll belastet werden, erstattet das Seezollamt jährlich 20 Proz.
der Nettoeinnahmen an das Gonvernement zurück. Diese ihrer Art nach indirekte Steuer
bildet neben der schon erwähnten Grundsteuer die einzige Einnahmequelle der Kolonie,
die sonst noch auf Zuschüsse des Reichs angewiesen ist.
Auch bei dieser Zollpolitik der Regierung konnte Hongkong nicht als Vorbild ge-
nommen werden. Zur Erklärung ist ein kleiner geschichtlicher Rücklblick nötig. Als die