Full text: Deutschland als Kolonialmacht.

  
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gelegenheiten steht ihnen, anders wie in staatlichen Angelegenheiten, eine ent- 
scheidende Beschlußfassung zu. Sie sind namentlich bei der Feststellung des Haus- 
haltsplanes und dem Erlaß öffentlich-rechtlicher Vorschriften hinzuzuziehen. Die 
Mitglieder der Bezirksräte werden teils von den Gemeindeverbänden durch den 
Gemeinderat, teils von den außerhalb der Gemeindeverbände stehenden.- Bezirks- 
angehörigen gewählt. Im übrigen entspricht die Organisation der Bezirksver- 
bände im großen und ganzen derjenigen der Gemeindeverbände. Auch sie haben 
das Recht, Abgaben zu erheben. Als Aufgaben sind ihnen namentlich die Unter- 
haltung der Wege, Wasserläuse und Brücken außerhalb der Gemeinden sowie die 
Errichtung und Unterhaltung öffentlicher Wasserversorgungsanlagen überwiesen. 
Die Bezirksverbände unterliegen ebenfalls der Aufsicht des Gouverneurs. 
In Deutsch-Ostafrika waren bereits im Jahre 1901 Bezirksverbände errichtet 
worden, die von den Bezirksamtmännern mit Unterstützung eines aus Angehörigen 
des Bezirks gebildeten Bezirksrats geleitet wurden. Der Bezirksrat hatte indes 
lediglich eine beratende und begutachtende Stellung und seine Mitglieder wurden 
ohne Beteiligung der Bevölkerung vom Gouverneur ernannt. Dieser hatte auch 
den Haushaltungsplan endgültig festzusetzen. Ihre Einnahme bestritten die Be- 
zirksverbände hauptsächlich aus den ihnen überwiesenen Anteilen an gewissen 
staatlichen Steuern. Da diese Organisation dem Gedanken der Selbstverwaltung 
nur unvollkommen entsprach und namentlich in finanzieller Hinsicht manche Unzu- 
träglichkeiten zeitigte, ist sie im Jahre 1909 beseitigt worden. Es sind nur noch die 
Kommunalverbände Daressalam und Tanga unter Beschränkung auf das Gebiet 
der gleichnamigen Städte aufrecht erhalten worden. Für sie ist im Jahre 1910 
eine Städteordnung erlassen worden, die sich in ihren Grundzügen an die für die 
südwestafrikanischen Gemeindeverbände erlassenen Vorschristen anlehnt, allerdings 
mit der wesentlichen Abweichung, daß Vorsitzender des dem südwestafrikanischen 
Gemeinderat entsprechenden städtischen Rats nicht ein gewählter Gemeindevorsteher, 
sondern der Bezirksamtmann ist. Bisher ist die Städteordnung indes noch nicht 
in Kraft gesetzt, so daß die beiden Kommunen Daressalam und Tanga auch jetzt 
noch nach der früheren Gemeindeverfassung vom Bezirksamtmann unter Mitwirkung. 
eines kommunalen Bezirksrats verwaltet werden. (Die neuerdings auch in andern 
Bezirken wieder errichteten, aus Wahlen hervorgehenden Bezirksräte sind, wie 
oben erwähnt, lediglich Organe der staatlichen Verwaltung.) 
Die bestehenden Selbstverwaltungseinrichtungen in den Schutzgebieten können 
ohne Frage als abschließende noch nicht cerachtet werden. Die Wünsche der Be- 
völkerung nach verstärkter Anteilnahme an der staatlichen Verwaltung im Sinne 
eines wirklichen Mitbestimmungsrechts in wichtigen, ihre Lebensinteressen berühren- 
den Fragen gewinnen mit der größeren finanziellen Selbständigkeit der Schutz- 
gebiete immer mehr an Berechtigung. Auch wird die Kommnnalverfassung nicht 
dauernd auf Südwestafrika und die beiden großen Küstenstädte in Deutsch-Ost- 
afrika beschränkt bleiben können. Der weitere Ausbanu der Selbstverwaltung wird 
indes nicht überstürzt werden dürsen. Abgesehen von Deutsch-Südwestafrika ist die 
Bevölkerung überall noch stark fluktuierend, und die für die Heranziehung zu 
Selbstverwaltungsgeschäften in Betracht kommenden Kreise setzen sich noch zum 
größten Teil aus Angestellten heimischer Firmen und Gesellschaften zusammen, 
die deren Interessen vertreten müssen und au die ihnen aus der Heimat erteilten 
Weisungen gebunden sind. Die Einsührung einer Kommunalverfassung stellt zu- 
dem starke Ansorderungen an die Stenerkraft der einzelnen, denen die in den 
größeren Plätzen der tropischen Schutzgebiete sich aufhaltenden Weißen zumeist noch 
nicht gewachsen sind. Erst im Lause längerer Zeit wird in diesen Verhältnissen 
eine ÄAnderung eintreten und deshalb wird auch mit der Ausdehnung der Selbst- 
verwaltung nur schrittweise vorgegangen werden können. 
In der Natur der Sache liegt es, daß der farbigen Bevölkerung mangels der-
	        
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