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erforderlichen kulturellen und politischen Reife sowie eines genügenden Verant-
wortlichkeitsgefühls eine Mitwirkung in den Gouvernementsräten nicht zugestanden
und ihnen ebensowenig ein Recht der Teilnahme an der Verwaltung der Ge-
meindeverbände eingeräumt werden kann. Die Wahrnehmung ihrer Interessen
gegenüber der weißen Bevölkerung muß im allgemeinen Aufgabe der Regierung
bleiben. Doch ist auch ihnen ein gewisses Maß von Selbstverwaltungsbefug-
nissen insofern zugestanden, als die Regierung aus politischen und anderen Rück-
sichten überall dem Grundsatz huldigt, den eingeborenen Völkerschaften und
Stämmen die Regelung ihrer inneren Angelegenheiten zu überlassen, soweit
dies ohne Gefährdung der öffentlichen Ordnung und kolonialer Interessen mög-
lich ist. Deshalb wird auch da, wo sich, wie z. B. bei einigen Bastardstämmen in
Deutsch-Südwestafrika sowie in Samoa und Kiantschou, durch Herkommen eine
Art Gemeindeverwaltung entwickelt hat, diese tunlichst geschont.
Die Kolonialbeamten.
Der Kolonialdienst stellt an den einzelnen Beamten sowohl in bezug auf
körperliche Rüstigkeit wie auch auf Kenntnisse, Fähigkeiten und Takt besonders
hohe Anforderungen. Als Kolonialbeamte werden deshalb nur Personen ange-
nommen, welche nach ärztlichem Urteil die genügende Widerstandsfähigkeit gegen
klimatische Einflüsse besitzen (tropendiensttanglich sind), und denen günstige Zeng-
nisse über Vorbildung, Leistungen und Führung zur Seite stehen. Für die
meisten Stellen in der Kolonialverwaltung sind anßerdem gewisse Kenntnisse be-
sonderer Art, namentlich auch sprachliche, erforderlich. Um diesem Umstand Rechnung
zu tragen, ist vielfach vorgeschlagen worden, die Anwärter für den Kolonialdienst
von Anfang an in den Schutzgebieten selbst auszubilden. Die Kolonialverwaltung
hat auch mit der Heranbildung eines besonderen Kolonialbeamtenstandes in
Deutsch-Ostafrika einen Versuch gemacht, indem dort eine Reihe von Kolonial=
eleven eingestellt worden sind. Indes haben sich gegen die Fortsetzung dieses
Versuches doch gewisse Bedenken erhoben, namentlich auch wegen der Schwierig-
keit, die so ausgebildeten Beamten im Falle eintretender Tropendienstuntanglich-
keit in einem heimischen Beamtendienste oder sonstigen Berufe unterzubringen.
Deshalb scheint es sich mehr zu empfehlen, als Beamte Personen einzustellen,
welche die allgemeine Vorbildung für ihre Tätigkeit in den Schutzgebieten (als
Verwaltungs-, Gerichts-, Zoll-, Forst-, Berg= und technische Beamte, Arzte, Lehrer
ausw.) bereits in einem entsprechenden heimischen Dienstzweige oder Privatberufe
erhalten haben, ihnen aber daneben noch vor der Aussendung eine besondere
Vorbildung für den Kolonialdienst auf dazu bestimmten Anstalten in der Heimat
zuteil werden zu lassen. Diesem Zwecke dienen jetzt namentlich das Orientalische
Seminar und die Handelshochschule in Berlin sowie das Kolonialinstitut in
Hamburg. Soweit möglich, w#erden die Beamten außerdem vor der Ausreise zeitweilig
im Reichs-Kolonialamt beschäftigt. Im übrigen wird z. B. auch Referendaren Ge-
legenheit gegeben, einen Teil des vorgeschriebenen Vorbereitungsdienstes in den
Schutzgebieten abzuleisten, und ebenso sind Vorschriften erlassen, wonach ehemalige
Schutztruppenangehörige und andere Personen, die in der Verwaltung der Schutz-
gebiete selbst sich praktisch vorgebildet haben, durch Ablegung von Prüsungen die
Zulassung zu für sie geeigneten Stellen des Kolonialdienstes erlangen können.
Die Rechtsverhältnisse der Kolonialbeamten, welche früher nur in unzuläng-
licher Weise im Verordnungswege geregelt waren, sind im Jahre 1910 durch das
Kolonialbeamtengesetz und dessen Ausführungsvorschriften in umfassender Weise
neugeordnet worden. Gleichzeitig sind in diesem Jahre im Auschluß an die
Besoldungsreform der Reichsbeamten die Besoldungsverhältnisse der Kolonial-
beamten aur etatsrechtlichem Wege neu geregelt und dabei erheblich aufgebessert