Full text: Deutschland als Kolonialmacht.

   
  
nichtauerkannten Religionen (Isslam, Buddhismus, heidnische Kulte) haben zwar, 
abgefehen von dem Geltungsbereich der Kongoakte, keinen Anspruch auf Duldung, 
sie werden aber in ihrer Betätigung, soweit diefe sich in den Grenzen der staat- 
lichen Ordnung hält, nicht behindert. Die Seelforge für die christliche Bevölkerung 
wird größtenteils von den zur Bekehrung der heidnischen und mohammedanischen 
Eingeborenen entsandten Missionaren mit wahrgenommen. Doch haben sich in 
Deutsch-Ostafrika und Deutsch-Südwestafrika schon eine Reihe evangelischer Kirchen- 
gemeinden gebildet, die an Landeskirchen des Mutterlandes (in der Regel an die 
preußische) angeschlossen find. Die katholischen Missionen, denen in den einzelnen 
Schutzgebieten apostolische Präfekten oder Vikare (letztere mit Bischofsweihe) vor- 
gesetzt find, find in die Gesamtkirche eingegliedert und unterstehen der Congregatio 
de propaganda füce in Rom. Die evangelischen Miffionare sind meist von be- 
sonderen Missionsgesellschaften entfandt. 
In den Händen der Missionare liegt zum großen Teil auch das Unterrichts- 
wesen in den Schutzgebieten. Daneben bestehen für farbige und jetzt vielfach auch 
schon für weiße Kinder Regierungsschulen (Elementar-, Handwerker-, Landwirt- 
schafrs-, Fortbildungs= und höhere Schulen, in Kiautschou fogar eine Hochschule 
für Chinefen). Eine Schulpflicht ist bisher nur in Deutsch-Südwestafrika für 
Kinder der weißen Bevölkerung eingeführt. Hier treten den Regierungsschulen 
noch eine große Zahl von Gemeindeschulen zur Seite. Um die auswärts wohnen- 
den Kinder gut unterzubringen, find die meisten Schulen mit Pensionaten ver- 
bunden. 
Gerichtsverfassung und Recht der weißen Bevölkerung. 
Das Schutzgebietsgesetz, welches die grundlegenden Bestimmungen für die 
Regelung des Gerichtswesens sowie bürgerlichen und Strafrechts der weißen Be- 
völkerung in den Schutzgebieten enthält, nimmt, wie schon an früherer Stelle er- 
wähnt ist, seinerseits wieder auf das Gesetz über die Konfulargerichtsbarkeit Be- 
zug, dessen Vorschriften es in der Mehrzahl für entsprechend anwendbar erklärt, 
freilich nicht ohne erhebliche Abweichungen. Auch die im Gefetz über die Konsular- 
gerichtsbarkeit getroffene Regelung ist keine felbständige, sondern diefes überträgt, 
obgesehen von der Gerichtsverfassung, auf die Konsulargerichtsbezirke im wefent- 
lichen das heimische Recht, und zwar ebenfalls mit zahlreichen Maßgaben. 
Für das größere Publikum ist ohne Frage diese Art der Gefetzgebung eine wenig 
bequeme und übersichtliche. Selbst der Jurist hat Mühe, sich darin zurechtzu- 
finden. Der Wunsch erscheint deshalb berechtigt, daß die gegenwärtige Regelung 
durch eine vom Konsnlarrecht unabhängige erfetzt werden möge. Seiner Verwirk- 
lichung stellen sich freilich nicht geringe gesetzestechnische Schwierigkeiten entgegen. 
Die Ordnung der Gerichtsverfassung, wie sie fich nach dem Schutzgebiets- 
gefetz, dem Gesetz über die Konsulargerichtsbarkeit sowie den in Betracht kommen- 
den ergänzenden Vorschriften und Ausführungsbestimmungen gestaltet, ist in ihren 
Grundzügen die folgende: · 
Gerichte erster Instanz sind die Bezirksgerichte (Bezeichnung: „Kaiferliches 
Bezirksgericht“, in Kiautschou „Kaiferliches Gericht“). Sitze solcher Gerichte 
find in Deutsch-Ostafrika die Orte Daressalam, Tanga, Moschi, Tabora, Muaufa, 
in Deutsch-Südwestafrika Windhuk, Swakopmund, Lüderitzbucht, Keetmanshoop, 
Omarnru, in Kamerun Duala, Kribi, Lomie, in Togo Lome, in Deutsch-Neuguinea 
Rabaul, Friedrich-Wilhelmshafen, Ponape, Jap, auf Samoa Apia, in Kiant- 
schon Tsingtau. Die Bezirksgerichte vereinen die Zuständigkeit der Amts= und 
Landgerichte der Heimat fowie der mit diefen verbundenen Schöffen- und Schwur- 
gerichte. Zuständigkeitsunterschiede, die indes bei der Aurufung der Gerichte nicht 
in Betracht kommen, bestehen nur insofern, als die Entscheidungen teils von dem
	        
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