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Bezirksrichter als Einzelrichter teils von dem Bezirksgericht als Kollegium ge-
troffen werden. Dem letzteren gehören der Bezirksrichter als Vorsitzender und
außerdem noch zwei oder vier Laienbeisitzer an. Die Beisitzer werden vom Richter
aus der Zahl der achtbaren Gerichtseingesessenen je für die Dauer eines Geschäfts-
jahres berufen. Um in Fällen der Verhinderung für die Beisitzer einspringen zu
können, werden außerdem noch eine Reihe von Hilfsbeisitzern ernannt. Die Ge-
richtseingesessenen sind verpflichtet, der Berufung Folge zu leisten.
Der Bezirksrichter ist zuständig für Angelegenheiten der freiwilligen Gerichts-
barkeit (Vormundschafts-, Nachlaß-, Grundbuchsachen usw.), für Konkurse und
Zwangsversteigerungen, ferner für bürgerliche Streitsachen, die in der Heimat
zur Zuständigkeit der Amtsgerichte gehören (also im allgemeinen bei einem Streit-
wert bis zu 600 ) sowie für Strafsachen, die in der Heimat zur Zuständigkeit
der Schöffengerichte gehören oder diesen auf Antrag der Staatsanwaltschaft durch
die Strafkammer überwiesen werden können (also solche, die Übertretungen und
keichtere Vergehen zum Gegenstande haben).
In allen anderen Sachen entscheidet das Bezirksgericht, und zwar in bürger-
lichen Rechtsstreitigkeiten unter Hinzuziehung von zwei, in Strafsachen von vier
Beisitzern. (Für Kiautschon ist die Regelung insofern eine abweichende, als auch
in den Schöffensachen Beisitzer mitwirken.) Die Beisitzer nehmen jedoch nur an
den mündlichen Verhandlungen und den daraufsolgenden Entscheidungen teil.
Für Beschlüsse, Ladungen u. dgl. ist der Bezirksrichter allein zuständig, so daß
die Kräfte der Beisitzer nicht über Gebühr in Anspruch genommen werden.
Gerichte zweiter Instanz sind die Obergerichte. Sie entscheiden über Be-
Erufungen und Beschwerden. Für jedes einzelne Schutzgebiet ist ein besonderes
Obergericht eingesetzt (mit dem Sitz in Daressalam bzw. Windhuk, Buea, Rabaul,
Apia, Tsingtau). Nur für Kamerun und Togo ist ein gemeinschaftliches Ober-
gericht (mit dem Sitz in Buca) gebildet. Die Organisation der Obergerichte ent-
spricht derjenigen der Bezirksgerichte. Der Oberrichter entscheidet als Einzelrichter
in den meisten Beschwerdesachen. Im übrigen ist das Obergericht zuständig, das
sich aus dem Oberrichter und vier Laienbeisitzern zusammensetzt.
Eine Revisionsinstanz fehlt z. Zt. noch für die Schutzgebiete, so daß die
Entscheidungen der Obergerichte in allen Fällen endgültige sind. Da die fort-
geschrittenen Verhältnisse in den Schutzgebieten eine Anderung dieses Rechtszustan-
des dringend erwünscht erscheinen lassen, ist jetzt die Schaffung eines obersten
Kolonialgerichtshofes in der Heimat in Aussicht genommen, dessen Aufgabe es
namentlich auch sein wird, die Einheitlichkeit der kolonialen Rechtsprechung zu
wahren.
Da bei der Ausdehnung der Gerichtsbezirke die Gerichte selbst einem großen
Teil der Bevölkerung nur schwer zugänglich sind, ist Fürsorge getroffen, daß
eine Reihe richterlicher Geschäfte, namentlich Vernehmungen und Beurkundungen
von Akten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, durch Verwaltungsbeamte als Richter
kraft Auftrags erledigt werden können. Die Richter sind im übrigen auch be-
sugt, Termine außerhalb des Gerichtssitzes auf Gerichtstagen abzuhalten.
Zur Ausübung des Richteramtes bedarf es an sich nur einer Ermächtigung
des Reichskanzlers. Eine bestimmte Vorbildung ist hierfür nicht Voraussetzung.
Auch hat der Grundsatz der Trennung der Instiz von der Verwaltung für die
Schutzgebiete keine Geltung. Es ist deshalb auch zulässig Verwaltungsbeamte im
Nebenamt zu Richtern zu bestellen, wie dies zur Ersparnis von Beamten in den
Südseeschutzgebieten z. T. noch jetzt üblich ist. Größtenteils ist aber die Arbeitslast
der Gerichte derartig angewachsen, daß für sie besondere etatsmäßige Richterstellen
geschaffen wurden. Bei vielen Bezirksgerichten in den größeren Schutzgebieten sind
sogar mehrere Richter im Hauptamt tätig. Für die etatsmäßig angestellten Richter
hat nun neuerdings das Kolonialbeamtengesetz vorgeschrieben, daß sie die Fähig-