Full text: Deutschland als Kolonialmacht.

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Wir bemerkten bereits, daß verhältnismäßig am weitesten fortge- 
schritten das südwestafrikanische Eisenbahnnetz ist. Es fehlen 
noch eine wichtige Linie, die nach dem Ambolande, und einige geringerer Ordnung, 
wie nach Gobabis und Waterberg. Die erstere ist aus zwei Gründen eine Notwendig- 
keit: erstens um der politischen Kontrolle über das Amboland willen, zweitens um 
die Lüderitzbuchter Diamantfelder und die übrigen A beitsstellen in Südwestafrika 
besser mit Ovamboarbeiten versorgen zu können. Jetzt müssen die Ovambos Hunderte 
von Kilometern Fußmarsch zurücklegen, bis sic an die Otavibahn kommen, und dadurch 
geht viel Arbeitszeit verloren, die Lust, Arbeit zu suchen, wird verringert und es treten 
überdies eine Menge gesundheitlicher Schädigungen ein. Es scheint denn auch nach dem 
Etatsentwurf, den das Gouvernement dem diesjährigen südwestafrikanischen Landesrat 
unterbreitet hat, daß die Ambolandbahn Wirklichkeit werden soll, nachdem die Diamant- 
einkünfte infolge der Abgabenresomm und des Abbanes der Pomonafelder wieder in 
die Höhe gegangen sind. In Aussicht genommen ist, die Ambolandbahn von einem noch 
zu bestimmenden Punkte der Otavibahn über Okankwejo etwa bis zur Nordwestecke 
der Etoschapfanne zu führen. 
Im übrigen gilt anch für Südwestafrika der praktisch im übrigen Südafrika und in 
dem Viehzuchtlande Anstralien erprobte Satz, daß, von besonderen Verdichtungs- 
gründen abgesehen, in einem derartigen Wirtschaftsgebiet die Farmen bis zu einer 
Entfernung von rund 100 englischen Meilen oder gut 150 km von der Eisenbahn normal 
bewirtschaftungsfähig sind. Das heißt also, daß eine Eisenbahnlinie eine Zonc von rund 
300 km Breite erschließt. Nach diesem Prinzip sind, abgesehen natürlich von den Minen- 
gebieten, die Hauptbahnen in der Kapkolonie, in Transvaal, in Nensüdwales, in Queens- 
land, in Westaustralien gebaut worden. Auf Südwestafrika angewandt heißt das, daß 
der größte Teil des Weidelandes der Kolonie schon jetzt verkehrswirtschaftlich als auf- 
geschlossen gelten kann, daß es aber außer der Ambolandbahn noch einer Linie nach dem 
Osten, am besten nach Gobabis, bedarf, um die als Weidefeld sogar bevorzugten Gebiete 
der deutschen Kalahari, in denen Wasser jetzt an vielen Stellen in erreichbarer Tiefe 
nachgewiesen ist, für Farmbetriebe voll nutzbar zu machen. 
Daneben existiert als eine Art eisenbahnlichen Sondergebietes immer noch die 
Frage, ob es ratsam und möglich ist, von einem der Häfen von Südangola aus nach 
Südwestafrika hineinzugehen. Nachdem der Bau der Otawibahn von Swakopmund 
entschieden war, schien das Problem eine Zeitlang anf ganz entfernte Zukunft zurüick- 
geschoben zu sein, solange, bis vielleicht einmal die Shhnellverbindung mit dem süd- 
afrikanischen Minengebiet zwingender erforderlicher sein sollte als heute. Jetzt aber 
ist durch die Entdeckung großer und wertvoller Eisenerzlager im Kaokofeld, der bisher 
vernachlässigten entlegenen Nordwestecke der Kolonie, ein neues Moment hinzugekommen. 
S.hon für hochwertige Mineralien, wie die Kupfer= und Bleierze von Tsumeb—Otavi, 
bedeutet es eine starke Erschwerung, sie zu verschissen, wenn die Eisenbahnwaggons 
nicht unmittelbar längsseits des Dampfers gefahren werden können, sondern die Ver- 
frachtung, wie in Swakopmund, über eine Landungsbrücke und mit Leichtern, die 
zwischen Brücke und Dampfer hin und hergeschleppt werden, geschehen muß. Das 
Erz muß dazu gesackt werden, und die Arbeit samt dem Kapital für die Säcke und dem 
langsamen Fortgang des Ladens kommt so tener zu stehen, daß auf diese Alt nur reiche 
Erze verschifft werden können. Bei Eisen ist das überhaupt ausgeschlossen. Es ist keines- 
wegs unmöglich, hochprozentige Eisenerze mit Vorteil über einen Seeweg, wie den 
von Südwestafrika nach Europa, zu bringen, aber die Ladevorrichtungen müssen dann 
so bequem und billig wie möglich sein. Sie könnten in diesem Falle so gestaltet werden, 
wenn die Eisenbahn von den Erzlagern im Kaokofeld nach Tigerbai oder Port Alexander 
geführt werden würde. Die Entfernung ist bedentend geringer, als die von Swakop- 
mund nach Tsunieb, und sowohl die Tiger= oder Große Fischbai als auch Port Alexander 
— ich habe beide Häfen im vorigen Jahre besucht — sind so vorzüglich, daß es nur ge- 
ringer Nachhilfe bedarf, um Lade= und Löschaulagen zu schaffen, bei denen große 
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