Full text: Deutschland als Kolonialmacht.

   
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Wer die Wirtschaftsverhältnisse Afrikas kennt, der weiß, wieviel daranf ankommt, 
daß die Eingeborenen= oder Volkskulturen sich ausdehnen. Zwei glänzende Beispiele 
dafür sind der Aufschwung des Erdunßanbaucs im französischen Senegalgebiet infolge 
des Bahnbaues von Dakar nach St. Lonis, der in einigen Jahren zur Steigerung des 
Exportes von unbedeutenden Beträgen bis auf über 20 Millionen Franken im Jahre 
führte, und die Kakaokultur in der englischen Goldküstenkolonie. Diese letztere wurde 
außer durch das Eisenbahnnetz auch durch eine intensive und sehr geschickte Belehrung 
der Eingeborenen-Musterpflanzungen, Pflanzungskurse, Wanderlehrer, Vorschüsse usw. 
unter der Initiative der Verwaltung der Kolonie ins Leben gerufen. In Kamernn ist 
einiges über Volkskultur geredet worden, d. h. die Kaufleute haben wiederholt und 
dringlich daraunf hingewiesen, daß Mittel zur Förderung der Kulturen bewilligt und 
die Sache ernsthaft angefangen werden müßte, und die Gonverneure haben ihr Interesse 
daran versichert; dann aber soll jener Nonsens passiert sein, daß das Reichsschatzamt für 
diese Sache kein Geld hatte, und dann war sie, abgesehen von ein paar Versuchen in kleinem 
Maßstabe, die ein tüchtiger Bezirksamtmann auf eigene Hand machte, vorläufig abgetan. 
Im Zusammenhang mit den Eingeborenenkulturen muß auch die Angelegenheit 
der sogenannten Südbahn in Kamerunun angesehen werden. Die Südbahn, d. h. 
eine Linie, die man sich erst von Kribi über den Njong nach Jonnda, danach aber besser 
von Kribi nach Ebolowa und weiter ins Dschagebiet gehend dachte, wird vom Süd- 
kameruner Handel aus zwei Gründen verlangt: erstens um die Schwierigkeiten, Kosten 
und üblen Folgen der Trägertransporte einzuschränken, zweitens um durch die Er- 
schließung des Gebietes der Bulas, jenseits Ebolowa, einem besonders geeigneten Strich, 
einen kräftigen Anfang mit Volkskulturen zu machen. Die Bulas sind relativ zahlreich 
und das zur Arbeit tüchtigste Volk in Südkamerun, mehr zum Feldbaun als zum Träger- 
dienst geneigt, und anstellig für Landwirtschaft. Anfangs erklärten die Gonverneure 
auch ihr Einverständnis mit dem Südbahnprojekt in der Richtung auf Ebolowa und gaben 
die bestimmtesten Zusagen, die Sache zu fördern; dann aber gewann die Meinung die 
Oberhand, das gesamte Kameruner Verkehrssystem müsse einheitlich anf Duala hin- 
geleitet werden. Auch Staatssekretär Solf, der auf seiner Kamernner Reise die 
bestimmte Versicherung abgab, das Verkehrswesen der Kolonie in großzügiger 
Weise zu entwickeln, hat sich zu diesem Standpunkt bekannt, damit aber die Hoff- 
nungen des Südbezirks zerstört. Die Regierung übersieht, wenn sie sich jetzt 
weigert, dem Gedanken einer besonderen, von Kribi ausgehenden Südbahn näher- 
zutreten, zweierlei: erstens, daß es sich nicht nuur um den Handel des Sübbezirks 
handelt, den man auf den nenen Weg vom Niong über die Mittellandbahn nach Duala 
verweist, sondern auch, um die höchst wichtige Angelegenheit der Eingeborenenkulturen 
in Südkamerun, namentlich im Bulalande, die ohne Bahn nicht ins Leben gerusen 
werden können und für die die Mittellandbahn nutzlos ist; außerdem zweitens noch 
die drohende Eisenbahnpolitik der Franzosen in Gabun. Bekanntlich gehörte das im 
Marokko-Kongovertrag vom November 1911 abgetretene Dreieck, das sich an die alte 
Kameruner Südgrenze auschließt, vordem zur französischen Kolonie Gabun. Diese 
ist ein Bestandteil des Generalgonvernements von Französisch-Aquatorialafrika, das 
gegenwärtig von einem bedeutenden und energischen Manne, Mr. Merlin, verwaltet 
wird. Merlin hat für sein ganzes Gebiet systematisches ein Eisenbahn-Bauprogramm 
entworfen, das, was Gabun angeht, ossen und eingestandenermaßen den politisch an 
Dentschland abgetretenen Strich wirtschaftlich für Frankreich zurückerobern will. Es 
soll zu dem Zweck eine Eisenbahn von Libreville, dem nördlichsten Hafen der Gabun- 
küste, nach Quesso gebaut werden, dem Platz, den sich Frankreich als Vorsprung in 
unser Neukamerun hinein vorbehielt, um einen unabhängigen Zugang zu der schönen 
Schiffahrtsstraße des unteren Sanga zu haben. Eine französische Bahn Libreville— 
Quesso würde sich nicht nur das neukameruner Südstück, sondern auch den südlichsten 
Teil von Altkamerun tributpflichtig machen, ohne daß von der Mittellandbahn ans 
etwas dagegen getan werden könnte.
	        
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