Full text: Deutschland als Kolonialmacht.

Ost 
RechtsmittelderVerufnng(abgesehenvongewissenAusnahmenfütübertrctungs- 
sachen) gegen sämtliche Urteile in Strafsachen gegeben. Die Todesstrase ist durch 
Enthauptung, Erschießen oder Erhängen zu vollstrecken. Der Gonvernenr trifft im 
Einzelfalle darüber Bestimmung, welche Vollstreckungsart anzuwenden ist. Das 
Begnadigungsrecht steht für die von den Schutzgebietsgerichten verhängten Strafen 
dem Kaiser zu. 
Die Gerichtskosten werden im doppelten Betrage der in der Heimat vor- 
geschriebenen Sätze erhoben. Dasselbe gilt für die Gebühren der Rechtsanwälte 
und Notare. 
Zahlreiche Besonderheiten finden sich anch auf dem Gebiet des Bürgerlichen 
Rechts, wo die Eigenart der kolonialen Verhältnisse mehrfach zu neuen Rechts- 
bildungen geführt hat. Vereine, die nicht wirtschaftliche Zwecke verfolgen, also 
gesellige, gemeinnützige Vereine u. dgl., können die Rechtsfähigkeit durch Ver- 
leihung seitens des Reichskanzlers erlangen. Die Einrichtung des Vereinsregisters 
kommt für die Schutzgebiete in Fortfall. Für Erwerbsgesellschaften, die sich in 
den Schutzgebieten oder deren Hinterlande kolonisatorisch betätigen wollen, ist, da 
die ihnen nach den Reichsgesetzen offenstehenden Rechtsformen der Aktiengesell- 
schaft, Gesellschaft mit beschränkter Haftung usw. sich vielfach als für ihre Zwecke 
nicht passend erwiesen haben, noch eine besondere Gesellschaftsform eingeführt 
worden. Sie können als „Deutsche Kolonialgesellschaft" auf Grund eines vom 
Reichskanzler genehmigten Statuts durch Beschluß des Bundesrats die Rechte einer 
juristischen Person erwerben. Derartige Gesellschaften unterliegen der Beaussichti- 
gung des Reichskanzlers, find hinsichtlich ihrer Organisation und Geschäftsführung 
aber wesentlich freier gestellt als die Gesellschaften des heimischen Rechts. Die 
mit den Deutschen Kolonialgesellschaften gemachten Erfahrungen berechtigen ohne 
Frage im großen und ganzen zu dem Urteil, daß sich die nene Rechtsform be- 
währt hat. Wenn einzelne Gesellschaften nicht die auf sie gesetzten Erwartungen 
erfüllt haben, so hat dies hauptsächlich daran gelegen, daß sie von Anfang an 
auf einc wirtschaftlich wenig solide Grundlage gestellt waren. Eine Abhilfe der 
hin und wieder hervorgetretenen Mißstände ist deshalb nicht sowohl von recht- 
lichen Maßnahmen, als vielmehr von einer schärferen Prüfung der Gründungs- 
vorgänge zu erwarten, zu der in neuerer Zeit die Verwaltung übergegangen ist. 
Weiter ist noch hervorzuheben, daß in Handelssachen die Vorschriften des Handels- 
gesetzbuchs nur insoweit anwendbar sind, als sich nicht ein abweichendes Handels- 
gewohnheitsrecht herausgebildet hat, und daß für die Form der Eheschließung 
sowie die Beurkundung des Personenstandes nicht das Reichsgefetz vom 6. Fe- 
bruar 1875, sondern das Gesetz über die Eheschließung usw. im Auslande vom 
4. Mai 1870 maßgebend ist. Wie dabei erwähnt werden mag, muß auch der Ehe- 
schließung in den Schutzgebieten ein Aufgebot vorausgehen, von dem indes der 
zuständige Beamte aus dringendem Grunde befreien kann. (Zuständig zur Be- 
urkundung des Personenstandes sind in den meisten Schutzgebieten die Bezirks- 
richter und in Bezirken, in denen sich kein Gericht befindet, die an der Spitze 
der Sehire- stehenden Verwaltungsbeamten, in Deutsch-Südwestafrika lediglich die 
etzteren. 
Wesentliche Abweichungen von den heimischen Gesetzen finden sich im Liegen- 
schaftsrecht, und für das Bergrecht bleiben diese ganz außer Anwendung. Beide 
Rechtsgebiete sind, wenn auch in Anlehnung an das deutsche und preußische Recht, 
durch Kaiserliche Verordnungen für die Schutzgebiete besonders geregelt. Die Form 
der Grundstücksübertragung ist erleichtert und über die Anlegung und Führung 
der Grundbücher sind den Verhältnissen der Schutzgebiete angepaßte Vorschriften 
erlassen. Der Natur der Sache nach kann die Grundbucheinrichtung nur allmäh- 
lich in gleichem Schritt mit dem Fortgang der Landesvermessung durchgeführt 
werden. Um nun den Eigentümern von Grundstücken, für die ein Grundbuchblatt 
 
	        
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