Full text: Deutschland als Kolonialmacht.

  
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gegründet. Die Linie ist von Tsingtan bis zur Provinzialhauptstadt Tsinanfn etwa 
450 km lang; sie verzinst sich gut und hat dem Wirtschaftsleben der Provinz, soweit sie 
sie durchzieht, teilweise bercits einen anderen Charakter gegeben, als es ihn bisher besaß. 
In einem so stark bevölkerten Land wie China, von dem Schantung eins der am dichtesten 
bewohnten Gebiete ist, muß der Grund und Boden bis aufs änßerste parzelliert und 
ausgenutzt werden, um die Menschen zu ernähren. Trotzdem reicht die Ernte an Brot- 
frucht kaum dazu hin, und für Exportkulturen bleibt im Verhältnis zur Größe des Ganzen 
verschwindend wenig Land übrig. Duich die Eisenbahn wird die Zufuhr von Nahrungs- 
mitteln und lohnender Absatz für Exportprodukte, seien es solche des Anbaus oder industrielle 
Erzeugnisse, ermöglicht: Bohnen, Erdnüsse, Seide, Strohgeflechte usw. Ebenso kommen 
fremde Waren, die mit den neuen Exportwerten bezahlt werden, durch die Bahn ins 
Land: Gewebe, Petroleum, Mctallartikel, Lebensmittel und anderes. Jetzt ist geplant, 
noch eine oder mehrere Seitenlinien von der Stammstrecke aus zu bauen und außerdem 
die großen Eisenerzlager im Bahngebiet in Ausbeute zu nehmen. Die Schantung- 
kohlenfelder bei Weihsien und Hungschan (Poschan) werden schon seit einer Reihe von 
Jahren von der Schantung-Bergbangcsellschaft genutzt, jedoch nur mit teilweisem Erfolg, 
da namentlich die Felder von Waihsien stark verworfen und zeistört und daher kost- 
spieliger abzubauen sind als man anfangs glanbte. 
Seit kurzem hat sich das von Tsingtan aus zugängliche innerchinesische Eisenbahnnetz 
durch den Bau der Tientsin—Pukaubahn bedentend erweitert. Man kann jetzt mit der 
Bahn südwärts nach der Jangtsemündung, nördlich bis Peking-Kalgan und nach der 
Mandschurei gelangen, wo das japanisch-mandschurisch-koreanische und das russisch- 
sibirische System ihren Anfang nehmen. Die Linie von Peking nach Kalgan wird durch 
die Mongolei nach Urga und Kiachta weitergebaut und von dort auf russischem Gebiet 
zum Anschluß an die sibirische Magistrala gebracht werden. Dann aber ist es möglich 
oder wahrscheinlich, daß Tsingtan ein bedeutender, wenn nicht der bedeutendste Um- 
schlagsplatz für den Ubergang des Schnellverkehrs zwischen Europa und dem fernen 
Osten vom Land= auf den Seeweg und umgekehrt wird. Solange die sibirische Bahn 
nur die beiden stark nördlich gelegenen Ansgänge zum Stillen Ozean hat: das russische 
Wladiwostok und das japanische Dairen (das frühere Dalnij, bei Port Arthur), bildet 
das einen Mangel für ihre Verbindungen nach den großen Plätzen im Süden; eine 
Bahn von Irkuts über Kiachta und Kalgan nach Peking wird dagegen erstens den Verkehr 
nach dem sernen Osten gegen jetzt noch um mehrere Tage ablürzen und außeidem 
Tsingtau als natürliche Endstation haben. Tientsin, das näher an Peking liegt, ist jährlich 
mehrere Monate durch Eis gesperrt und für große Dampfer überhaupt nicht zugänglich; 
Schanghai, das sonst vielleicht bevorzugt werden würde, hat viel unbequemere Ein- 
schiffungsverhältnisse als Tsingtan und wird in dieser Beziehung nie auf die Höhe 
gebracht werden können. Schon jetzt wird Tsingtau von der ostasiatischen Dampferlinie 
des Norddeutschen Lloyd angelaufen; nach Vollendung der Trans-Mongoleibahn wird 
der ganze ostasiatische Schnellverkehr diesem Beispiel folgen müssen. Kein Geringerer 
als Ferdinand v. Richthofen hat in seinem Werk über Schantung, das er nach der Be- 
setzung des Kiautschongebietes verösfentlichte, auf diese mögliche Zukunftsbedentung 
von Tsingtan hingedeutet und im voraus die Verkehrslinen gezogen, die einmal dorthin 
zusammenlaufen werden. Was wir für die Mehrzahl der anderen deut- 
schen Kolonien begründet erhoffen, kann also von dieser einen 
mit Sicherh eit gesagt werden: daß sie in naher Zukunft eine 
Bedeutung nicht nur für ihr Hinterland, sondern auch für den 
Weltverkehr haben wirdl 
   
	        
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