Full text: Deutschland als Kolonialmacht.

  
356 ——-——.140S““ 4 
denen sich die des Tanganjika bald anschließen werden, auch als Handelskolonie Be- 
deutung. Sansibar ist Handels-, Plantagen-= und Eingeborenenkulturkolonie. Kamerun 
und Samoa sind sowohl Plantagen- wie Eingeborenenkulturkolonien. 
Am# reinsten tritt der Begriff Handelskolonie, und zwar in den besonders England 
eigentümlichen kleinen Stadt- und Inselniederlassungen hervor, die an wichtigen Punkten 
des Weltverkehrs zu liegen pflegen. Sie sind, wie Aden, Malta, unser Kiautschon usw. 
zumeist auch als Kohlenstationen und Kriegshäfen koloniale Stützpunkte der Handels- 
und Kriegsmarine. Hierbei zeigt sich am klarsten das Zusammenwirken des koloni- 
sierenden Staates mit seinen wirtschaftlich tätigen Staatsangehörigen zu weltpolitischen 
und weltwirtschaftlichen Zwecken. 
Der Wert der wirtschaftspolitischen Einteilung der Kolonien nach Arten liegt in 
dem Hinweis auf ihre Verschiedenartigkeit je nach den vorhandenen wirtschafts- 
geographischen und antropogeographischen Verhältnissen, die eine einseitige koloniale 
Wirtschaftspolitik ausschließt. Umgekehrt führt aber jede schematische Anwendung 
der Unterscheidung von neuem zu Einseitigkeiten, die den Vorteil der Gliederung nach 
Arten wieder anfheben und aufs schärfste bekämpft werden müssen, zumal der Charakter 
einer Kolonie sich im Flusse der Entwicklung schnell ändern kann. 
Sehr viel einfacher und klarer liegt die Sache bei der Einteilung nach verwaltungs- 
politischen Gesichtspunkten. Man unterscheidet: 
Eigentliche Kolonien, zu denen alle Gebiete mit Selbstverwaltung vom geringsten 
Maße an bis zur völligen Selbstregierung unter der noch losen Oberhoheit des Mutter- 
landes zu rechnen sind. Diese letzte Entwicklungsstuse haben die großen britischen 
Selbstverwaltungskolonien Kanada, Südafrika, Anstralien und Neuseeland erreicht. 
Protektorate (Schutzgebiete), einerseits als äußerlich sonveräne Staaten unter 
Schutzherrschaft (Tunis), andererseits als vom Mutterland völlig selbstherrlich regierte 
Gebiete (Betschnanaland-Protektorat). 
Pachtgebiete (Kiautschon, Kwangtung). Die Pachtdauer beträgt meist 99 Jahre, 
und sind für diese Zeit Ubertragung sämtlicher Rechte vorgesehen. Da cs sich gewöhnlich 
um zwangweise Verpachtung handelt, stellt sie sich in Wirklichkeit als verschleierte Be- 
sitznahme des pachtenden Staates dar. Bei Wiedererstarken des eigentlichen Besitzers 
kann diese natürlich keinen Bestand haben. 
Interessensphären. Diese sind nach UÜbereinkommen mit den Nachbarstaaten 
einem Staate vorbehaltene, aber von ihm noch nicht in Besitz genommene Gebiete. 
Unsere Kolonien, deren größter Teil anfangs Interessensphären waren, wurden 
allmählich als Schutzgebicte in Besitz genommen und sind jetzt als eigentliche Kolonien 
(vielfach Provinzen außerhalb des Reiches genannt) zu bezeichnen. 
Geschichte der Kolonialpolitik. 
Altertum und Mittelalter. 
Wir versenken uns nicht in die Geschichte der Kolouialpolitik um ihrer selbst willen, 
sondern zur Nutzanwendung ihrer Lehren für die heutige Zeit. Im bewußten Gegensatz 
zu der historisch rückschanenden Schule der Nationalökonomie, die auch lange Zeit die 
Kolonialwissenschaft beherrschte, pflegt man deshalb neuerdings gern Altertum und 
Mittelalter aus der kolonialen Betrachtung auszuscheiden. Sehr zu Unrecht, denn 
wenn auch das Wesen der damaligen Kolonialpolitik vom heutigen verschieden und die 
Mittel ungleich einfacher waren, so stand doch das Ziel der Weltmachtstellung, wie man 
es damals verstehen konnte, den kolonisierenden Völkern klar vor Angen. Allerdings 
fallen alle Vorgänge, welche die Historiker so gern in ihren Begriff Eroberungskolonien 
zu verflechten pflegen, mit diesem Begriff fort. Die Ausbreitung eines Volkes über 
seine Grenzen hinaus, Besitznahme anschließender Gebiete und Entnationalisierung 
deren Bevölkerung gehört in unserem Sinne ebensowenig zur Kolonialpolitik wie innere 
Kolonisation. Andernfalls müßte man die Entwicklungsgeschichte sämtlicher Völker 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.