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den Handel der Kolonien untereinander freizugeben. Schließlich wurde 1778 auch der
ganze Kolonialhandel umgestaltet, iudem das Monopol Kadiz-Sevilla und der Flotten
aufgehoben und dafür neun Häfen des Mutterlandes und 22 Kolonialhäfen dem direkten
Verkehr untereinander geöffnet wurden. Diese Maßnahmen kamen dem Abfall der
Kolonien zuvor, doch konnten sie ihn nicht verhindern. Nachhaltiger wie die handels-
politischen Fehler wirkten allerdings die der Verwaltung, denn hier hat die spanische
Regierung von jedem Reformversuch Abstand genommen. Der liberalen Regierung
Karls III., die handelspolitisch vieles zu bessern versuchte, war es durch die Austreibung
der Jesniten 1767 beschieden, dem monarchischen Gedanken im Kolonialreich eine wichtige
Stütze zu entziehen, ohne dabei den mit den Jesuiten nicht unzufriedenen Kolonisten
einen Dienst zu erweisen. Schließlich gab die immer einseitiger durchgeführte Besetzung
aller wichtigen Verwaltungsposten mit Nationalspaniern den Anlaß zum Ausbruch der
amerikanischen Aufstände.
Es hieße den Charakter der amerikanischen Unabhängigkeitskämpfe völlig verkennen,
wollte man ihre Hauptursache in dem Durchbnuch eines lange niedergehaltenen Freiheits-
dranges der Kolonialvölker sehen. Verursacht wurden sie vielmehr durch unruhige,
europäische, gebildete Elemente, die an leitende Stelle kommen wollten und als Vor-
wand die Okkupation des Mutterlandes durch Napoleon benutzten. Ihr Vorgehen
richtete sich also zunächst nur gegen diesen unter dem Schlagwort des Kampfes für die
Interessen der gestürzten Dynastie. Eist allmählich wurde in systematischer Bearbeitung
der Massen an Stelle der national-spanischen die Tendenz der national-kolonialen
Unabhängigkeit gesetzt. Die Masse der Urbevölkerung sowohl wie der Kreolen stand der
Freiheit an und für sich ziemlich gleichgültig gegenüber. Am klarsten war man sich wohl
noch in den Südprovinzen Argentinien und Chile, vertreten durch die ernstere Persön=
lichkeit Saint Martins, aus denen ja auch die vernünftigsten Staatengebilde geworden
sind. In allen nördlichen Gebieten blieb von vornherein der Typ des Pronunziamento-
generals, trefflich verkörpert im „Befreier“ Simon Bolivar, dem die Freihcit eine herr-
liche Redeblume war, vorherrschend. Die damals so überraschend hervortretende politische
Schwäche Spaniens machte es schließlich möglich, daß es in den zahllosen Kämpfen
der Jahre 1800 bis 1825 seinen gesamten amerikanischen Festlandsbesitz verlor und damit
aus der Reihe der großen Kolonialmächte ausschied.
Gegen äußere Feinde hat sich Spanien natürlich länger behaupten können als das
kleine Portugal; doch büßte es in seinen europäischen Kriegen manches ein. Guadeloupe
und Martinique fielen 1635 französischen Seeräubern in die Hände. 1659 bemächtigte
sich England Jamaikas. 1607 nahmen die Holländer den Hauptteil und die Franzosen 1674
den Rest Guayanas. Die Westhälfte Haitis ging 1697, die Osthälfte 1795 an Frankreich
verloren. 1718 besetzte England die Bahamainselu, 1797 Trinidad. 1820 mußte Florida
an die Vereinigten Staaten verkauft werden. Dazwischen gab es in den Kämpfen
gegen äußere Feinde zahlreiche zeitweise Verluste. Schließlich verlor Spanien 1898
auch Kuba, Portoriko und die Philippinen an die Vereinigten Staaten, und verkaufte
kurz darauf den Rest seines Südseebesitzes an Deutschland.
Das Scheitern der spanischen Kolonialpolitik ist in erster Linie auf die politische
Unfähigkeit seiner Regierungen zurückzuführen. Besonders Philipp II. kann geradezu
als der Verderber der spanischen Machtstellung bezeichnet werden. Die Bigotterie
dieses Königs hat in ihren politischen Außerungen geradezu etwas Wahnsinniges. Gewiß
mußten im Lauf natürlicher Entwicklung Holländer und Engländer einmal Spaniens
Feinde werden, aber daß der König dies Ereignis krampfhaft beschwor und gleichzeitig
durch Austreibung der Morisken und Juden und die auf das ganze Weltreich ausgedehnte
lebentötende Einrichtung der Iuquisition sich im Juneren schwächte, mußte schon damals
Spanuiens Macht in ihren Grundsesten erschüttern. Davon hat sich das Reich nicht mehr
erholt. Die lähmende Wirkung des spanischen Klerikalismus mit seinem Klosterunwesen
ist sicher dem finsteren Geist dieses Königs und dem dumpfen Charakter der folgenden
Regierungen zuzuschreiben, nicht aber dem Katholizismms. Wie hätte sonst die katholische