572 ———————————————28——22M
sind als Vorläufer des Kampfes zwischen England und Holland um die Seeherrschaft
zu betrachten, der nach dem Erlaß der Navigationsakte zum Ansbruch kommen mußte.
Namentlich die Bestimmung, daß alle aus Asien, Afrika oder Amerika stammenden
Waren nur durch britische Schiffe in Großbritannien und Irland sowie den britischen
Kolonien eingeführt werden durften, bedrohte Hollands Zwischenhandel aufs schwerste.
In den drei holländisch-englischen Seelriegen 1052 bis 1654, 1664 bis 1667 und 16072
bis 1674 blieb der größere Ruhm zwar auf seiten der Holländer, doch konnte dies nicht
hiudern, daß England, unterstützt auch durch die Verwicklungen des Rivalen zu Lande,
alle Vorteile davon zog. Die Personalunion zwischen beiden Reichen unter Wilhelm III.
ist dem bereits wirtschaftlich überlegenen England ebenfalls von größerem Nutzen gewesen.
Unter anderem eroberte bzw. erwarb England um diese Zeit Jamaika von Spanien 1655,
Newyork und New-Jersey von Holland 1674 und Bombay 1661 von Portugal. Glänzend
lohnte sich damals die Gunst der Lage für den Landmächten unangreifbaren Inselstaat,
der bei nur leidlich geschickter Politik alle kontinentalen Verwicklungen zu seinem Vorteil
ausnutzen konnte. Die Seeherrschaft Englands ist seit dem Frieden von Nymwegen 1678
selbst von dem gesährlichsten Rivalen Frankreich nicht mehr ernstlich erschüttert worden.
Bei Verfolgung ihrer Herrschaftspläne leitete wieder die Ostindische Kompagnie
den ersten entscheidenden Waffengang mit diesem Gegner ein. Durch die Gunst der
Mogulsürsten hochgekommen, hatten die Engländer sich in deren Haupthafen Surat
an der Westküste sowie im Gangesdelta festgesetzt und als weitere Hauptstützpunkte
Bombay und Madras erworben. Ende des 17. Jahrhunderts traten ihnen hier und
in Bengalen die Franzosen entgegen, die unter der Leitung des staatsklugen Dupleix
von 1730 an zu immer gefährlicheren Gegnern wurden. Der Kampf wurde dank der
militärischen Genialität Clives in Indien selbst durch die Waffen zu Englands Gunsten
entschieden. Frankreichs geringes überseepolitisches Geschick bewies sich in schlechter
Unterstützung und Abberufung des unternehmenden Dupleix 1754 während der Ent-
scheidungskämpse. Clive brach auch die Macht des Nuwab von Bengalen, vernichtete
die letzte holländische Tiuppenmacht im Delta und dehnte die Herrschaft der Kompagnie
über das ganze Gangcsgebiet aus. Er ist als der eigentliche Gründer der englischen
Machtstellung in Indien zu bezeichnen. Gleichzeitig hat er aber in der schon lange mit
Bestechung albeitenden Kompagnie eine Komuption unter den allerdings schlecht be-
zahlten Beamten begründet, die selbst alles, was die Holländer in dieser Hinsicht leisteten,
in den Schatten stellt. „Er hatte,“ sagt Macauly von diesem Generalgonverneur, „in
Bengalen kein Regierungssystem zurückgelassen, sondern nur die Uberlieserung, daß
durch den Schrecken des englischen Namens unbegrenzte Summen Geld von den Ein-
geborenen herausgepreßt werden könnten.“ Allein für die Erhebung des Meer Jassier
zum Nuwab von Bengalen ließ er sich 5½ Millionen Mark als „Geschenk“ geben. Als
1772 die Ostindische Kompagnic infolge solcher ungeheurer Unterschleise ihrer Beamten
ihre Zahlungen einstellen und sich deshalb eine drückende Neuregelung ihrer Akte durch-
die Regiciung gesallen lassen mußte, wurde Clive von der entrüsteten Leitung zur
Verantwortung gezogen. Die eingesetzte parlamentarische Untersuchung endete sachlich
ungünstig für Clive, der nichtsdestoweniger unbesnast blieb und vom Haus der Gemeinen
die Eiklärung entgegennehmen konnte, daß er seinem Vaterlande „große und wichtige-
Dienste“" geleistet habe. Dieser Vorgang ist mehr als jeder andere bezeichnend für die
großaitig biutale, kolonialpolitisch Wunder würkende, englische Devise „right or wrong
myF country“.
Wenig später als in Ostindien, ereilte die französische Herrschaft in Nordamerika
ihr Schicksal. Sie eistreckte sich im Hiuterland der Neuenglandstaaten von der Mündung
des Mississippi über Lonisiana und Kanada zu der des St. Lorenzstromes. Die Franzosen,
hauptsächlich als Jäger und Händler tätig, bildeten munhige Nachbarn der ackerbauenden
Engländer und zogen sich dunch fortgesetzte Einsälle gemeinsam mit ihren indianischen
Veibündeten deren Haß zu. Nach verschiedenen ergebnislosen Feldzügen gelang es
den Engländern während des Siebenjährigen Krieges, die St. Lorenzgebiete durch ihre