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förmliche Zollunion zwischen Algier und Frankreich eingeführt. Leider mißglückte
Napoleons Versuch, schon 1858 ein Kolonialministerium zu schaffen und das Ein-
geborenenelement Algiers durch die Möglichkeit, französisches Bürgerrecht zu erlangen,
zum wirtschaftlich tragenden Faktor zu erheben. Diesem einsichtsvollen Regenten
fehlte gerade bei den weisesten, dem Verständnis der Zeitgenossen nicht geläufigen
Maßnahmen, die sich kraftvoll durchsetzende Persönlichkeit.
Die Republik hat die koloniale Erbschaft Napoleons von Anfang an mit solcher
Energie ausgebaut, daß verschiedene neuere Historiker das jetzige kolonialpolitische
Zeitalter von 1870 datieren.“) Rechtfertigen läßt sich diese Meinung nur durch die Be-
deutung des französischen Kolonialbesitzes an sich, nicht aber durch die des dahinterstehen-
den Staates. Denn darüber ist kein Zweifel mehr möglich, daß Frankreich bei all seinem
überseeischen Expansionsdrang auf jede führende Stellung auf diesem Gebiet von
vornherein zugunsten Englands verzichtet hat. Stets wurden seine Maßnahmen mehr
oder minder von der Stellungnahme Englands abhängig gemacht und, wo es in Gegen-
satz zu Großbritannien geriet, trat es „unter Wahrung des Gesichts“, d. h. nach einiger
Abspeisung, den Rückzug an. Seit dem Auftreten Deutschlands als Kolonialmacht
hat sich dieser Zustand sogar bis zu einem direkten Abhängigkeitsverhältnis Frankreichs
von England gesteigert, indem ersteres nie ohne englische Nückendeckung dem neuen
Konkurrenten entgegenzutreten wagt. Bei dem kolonialen Wettlauf der Nationen handelt
es sich unstreitig um ein weltpolitisches Ringen, das nur entstehen kann, wenn ent-
gegengesetzte Kräfte tätig sind. Diese Kräfte sind gegenwärtig in erster Reihe Deutsch-
land und England. Ersteres trat als unbewußter Nebenbuhler des letzteren auf den
Plan, um sich immer anusgeprägter zu dem stärksten Gegner englischer Weltherrschaft
zu entwickeln. Daher kann das neueste koloniale Zeitalter auch erst von dem Augenblick
an datiert werden, in welchem dem bisher unbestrittenen kolonialen Alleinherrscher
ein Nebenbuhler entstand.
Ehe wir zur Betrachtung dieser neuesten Periode übergehen, seien die englisch-
französischen Erwerbungen von 1870 bis 1884 kurz erwähnt. Frankreich richtete sein
Augenmerk in erster Linie auf das Algier benachbarte Tunis, ohne indes infolge eng-
lischer Quertreibereien zum Ziel zu kommen. Erst nach dem Berliner Kongreß, als
England sich Zypern genommen und die Absicht, Agypten zu besetzen, gefaßt hatte,
ließ es Frankreich in dieser Sache freie Hand. Weder der Widerspruch, der durch den
russischen Krieg gedemütigten Pforte noch die Wünsche des schwächeren Italien konnten
mun Frankreich hindern, dem Bei 1881 das Protektorat aufzuzwingen. Im folgenden
Jahre ließen sich die Engländer in Agypten häuslich nieder. War die Herrschaft über
Tunis auch für den Besitzer von Algier eine politische Notwendigkeit, so läßt sich nicht
verkennen, daß Frankreich durch den so entstandenen bleibenden Gegensatz zu dem
emporstrebenden Italien immerhin einen großen Nachteil mit in den Kauf nahm. Diese
Wirkung hat Bismarck, indem er Frankreichs Vorgehen ermunterte, wohl voraus-
gesehen und, wenn auch nur langsam, so ist sie in den letzten Jahren doch in ihrem dem
Dreibund günstigen Sinne voll in die Erscheinung getreten. Für Frankreich um so
lästiger, als unter den 2 Millionen Einwohnern von Tripolis nur 40.000 Franzosen
110 000 Italienern gegenüberstehen.
Die koloniale Expansion seit dem Auftreten Deutschlands.
Das von Bismarck mit der ihm eigenen Eutschiedenheit ins Werk gesetzte Vorgehen
Deutschlands in Afrika und der Südsee veranlaßte England zu vielfachen Neuerwerbungen
und brachte auch langvorbereitete Pläne anderer Mächte zur Reife. Die wichtigsten
sofortigen Wirkungen sind: England besetzt 1885 das Nigergebiet, Britisch-Ostafrika,
Betschnana-Land und leitet die Erwerbung des Matabele--Swazi= und Nyassa-Landes
in die Wege. Außerdem nimmt es jetzt im Auschluß an die deutsche Erwerbung den
*) Paul Darmstädter baut sein sonst bedeulsames Werk „Geschichte der Aufteilung und
Kolonisalion Afrikas seit dem Zeitalter der Entdeckungen“, Bd. 1, 1913 auf dieser Einteilung auf.