Full text: Deutschland als Kolonialmacht.

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ment (der Nilpferdpeitsche oder einem Tau, gegen Ingendliche mit einem leichten 
Stocke). Die Prügelstrafe hat sich im allgemeinen als eine für die Eingeborenen 
durchaus angemessene Strafe erwiesen, welche auch von diesen selbst nicht als 
grausam empfunden wird. Um zu verhüten, daß von ihr nicht mehr als nötig 
Gebrauch gemacht wird, ist wiederholt, so namentlich durch einen Erlaß des 
Staatssekretärs Dernburg, im Verwaltungswege auf ihre Einschränkung hin- 
gewirkt worden. Gegen höherstehende Eingeborene (Araber, Inder, Häuptlinge) 
sowie Frauen darf sie überhaupt nicht angewandt werden. Die Fälle, in welchen. 
eine Bestrafung stattsinden darf, sind im allgemeinen nicht näher begrenzt. So- 
weit nicht das Reichsstrafgesetzbuch als Anhalt dienen kann, entscheidet im Einzel- 
falle das vernünftige Ermessen des Beamten. Es können dementsprechend Strafen 
z. B. auch wegen uneidlich abgegebener falscher Zeugenaussagen und Nichtbeach- 
tung obrigkeitlicher Befehle verhäugt werden. Ebenso kann gegen die Manipnla 
tionen der angeblichen Zauberer, die unter den abergläubischen Eingeborenen viel 
Unheil anrichten, strafrechtlich eingeschritten werden. Für die meisten Schutz- 
gebiete sind im übrigen noch ausdrückliche Vorschriften ergangen, wonach auch Ver- 
letzungen der Verpflichtungen aus einem von den Eingeborenen eingegangenen 
Dienst- oder Arbeitsverhältnis vermittels Verhängung einer sogenannten Diszi- 
plinarstrafe (leichten Freiheitsstrase oder Prügelstrafe, die bei Vertragsverletzungen 
auch in Deutsch-Neuguinea statthaft ist) geahndet werden dürfen. 
Bei der Entscheidung bürgerlicher Rechtsstreitigkeiten sowie bei Erbregu- 
lierungen usw., wo es in erster Linie darauf ankommt, den Absichten und Anschau- 
ungen der Parteien Rechnung zu tragen, werden soweit als möglich die Rechts- 
gewohnheiten der farbigen Bevölkerung berücksichtigt. Es wird deshalb zumeist, 
namentlich in betreff des Familien= und Erbrechts, das Stammesrecht oder bei 
Angehörigen der mohammedanischen Bevölkerung (Arabern, Indern, Suaheli in 
Ostafrika) das Recht des Korans, in Kiautschon das chinesische Recht zugrunde 
gelegt. Setbstverständlich können die Rechtsanschauungen der Eingeborenen nur 
insoweit Beachtung finden, als sie nicht, vom Standpunkt einer Kulturnation be- 
trachtet, unsittlich oder unvernünftig erscheinen. Die Aufgabe der Rechtsprechung 
kann es nicht sein, zu den Eingeborenen herabzusteigen, sondern sie muß bestrebt 
sein, diese geistig und sittlich emporzuheben. Die Berücksichtigung des Gewohn- 
heitsrechts der Eingeborenen setzt natürlich eine genaue Kenntnis voraus, die oft 
nicht leicht zu erwerben ist. Deshalb ist vielfach die Forderung erhoben worden, 
daß das Eingeborenenrecht kodifiziert werden möge. Die Verwaltung hat sich 
gegen diese Forderung bisher ablehnend verhalten, da die Gefahr verhäng- 
nisvoller Mißgrisfe naheliegt und außerdem eine gesetzliche Festlegung der natür- 
lichen Weiterentwicklung des Rechts der Eingeborenen vorgreisen würde, deren 
Rechtssitten durch das Vordringen der Kultur eine allmähliche, im kolonisatorischen 
Interesse nur erwünschte Wandlung erfahren. Wohl aber hat es sich die Ver- 
waltung neuerdings angelegen sein lassen, durch Versendung von Fragebogen und 
Einsetzung einer mit ihrer Verarbeitung beanftragten Kommission die Erforschung 
des Eingeborenenrechts zu fördern. Dieses hat nicht nur für die Praxis der Ein- 
geborenenrichter, sondern auch wissenschaftlich ein großes Interesse. Gewisse 
Rechtssitten, wie z. B. die Heilighaltung bestimmter Tiere oder Pflanzen seitens 
einer Sippe (Totemismus), die Blutrache, das Mutterrecht (Vorzugsrecht der 
mütterlichen Verwandten im Erbrecht usw.), das Kollektiveigentum u. dgl. m. 
finden sich ebenso bei den Eingeborenen unserer Schutzgebiete wie auch bei andern 
primitiven Völkerschaften, so daß die angeordneten Feststellungen lehrreiche Ver- 
gleiche und Rückschlüsse ermöglichen werden. 
Soweit Rechtsgewohnheiten der Farbigen nicht in Betracht kommen, wird die 
Entscheidung in bürgerlichen Streitigkeiten nach freiem richterlichen Ermessen unter 
Zuhilfenahme der Grundsätze des deutschen Rechts getroffen. Vereinzelt ist das bür- 
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