Full text: Deutschland als Kolonialmacht.

  
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zwecken zu benutzen und ihn anderen Nationen zu verschließen. Als die Republik Columbia 
sich unter englischem Einfluß weigerte, das Kanalgebict zu verkanfen, wurde dort Ende 
1903 eine Revolution unter Abtrennung der Republit Panama von Columbia angezettelt. 
Die neue Repnblik, von der Union sosfort anerkannt, schloß den gewünschten Vertrag, 
d. h. trat der Union den Kanal mit einem beiderseitigen Landstreifen von je 8 kun Breite 
ab. Die schwierigste Arbeit, der Kanalbau selbst, steht jetzt vor ihrer Vollendung. Sie 
beweist, daß jedenfalls nicht die Unfähigkeit der französischen Ingenieure an dem Zu- 
sammenbruch des ersten Unternehmens schuld gewesen. Erdbeben und Erdrutsche 
haben immer wieder fertige Strecken zerstört und enorme Kosten verursacht, und vicle 
Kenner behaupten, daß der Wassermangel in der Trockenperiode den Kanal monatclang 
im Jahre außer Betrieb setzen kann. Der Kanal steigt nämlich von beiden Enden treppen- 
artig zu einem Seebecken empor, das stets tief geung zur Durchfahrt sein und gleich- 
zeitig die Schleusen mit Wasser füllen uuß. Ob sich dieses künstlich zur Erzielung eines 
möglichst reichhaltigen Zufuhr= und Niederschlagsgebietes vergrößerte Becken als zu- 
verlässiges Wasserreservoir erweisen wird, ist mehr als zweifelhaft. Die Union hat 
jedenfalls die Eröffnung des Kanals vor dem vorgesehenen Zeitpunkte, 1. April 1915, 
angekündigt. Auf wirtschaftliche Ergebnisse kann der Kanal weder seiner Lage noch den 
Bankosten nach hoffen. Er verbessert für Europa, abgesehen von San Franzisko, nur 
Entfernungen nach weniger bedentenden Verkehrsgebieten, und die Konkurrenz des Suez- 
kanals verbietet zu hohe Gebühren nach Ostasien. Seine strategische Bedentung für die 
Verwendung der amerikanischen Kriegsflotte an der Ost= oder Westküste ist dagegen sehr 
groß, und man kann es den Erbanern nicht verdenken, wenn sie den einzigen Vorteil 
ihres mühevollen Werkes ausnutzen wollen. Nur daß die Union auch wirtschaftlich, 
entgegen dem Hay-Pauneefote-Vertrag, ihre eigene Schiffahrt zu begünstigen beab- 
sichtigte, hat Eugland zunächst zu einem wirkungslosen Protest veranlaßt. Sollte, wie 
es jetzt den Anschein hat, der neue Präsident dem Prinzip der wirtschaftlichen Gerechtig- 
keit den Vorzug geben, so wird er das unbeeinflußt von enropäischen Wünschen tun. 
Für alle Fälle scheint England seine Interessen durch Errichtung eines Kriegshafens 
und einer Flottenstation auf den Bermudasinseln wahren zu wollen. 
Ob die Union sich mit diesem Werk übernommen hat, wird die nächste Zukunft 
lehren. Daß ihr bisher jede imperialistische Tat gelang, ist gewiß keinem blinden, sondern 
mit dem eigenen Verdienst eng verketteten Glück zuzuschreiben. Amerika hat eben immer 
die glückliche Hand des Staatsmannes bewiesen, der den richtigen Angenblick zum großen 
Wagnis zu erfassen, auszunntzen versteht und niemals dabei durch zahme Anwandlungen 
jener Inkonseqnenz verfällt, die errungene Vorteile in Frage zu stellen pflegt. 
Japan wandte nach seinem politischen Erstarken seine Blicke in erster Linie den 
benachbarten, schon in früherer Zeit heiß umstrittenen Nachbarländern zu, die es in 
den erwähnten Kriegen mit China und Rußland erwarb. Der wertvollste Besitz Korea 
ist insofern nicht in vollem Maße eine Kolonic in unserem Sinne, als es sich um ein 
dem Mutterlande benachbartes und bereits von einem stammverwandten Volke gut 
bevölkertes Land handelt. Immerhin bedingt die Trennung durch eine Mceresfläche, 
auch wenn sie nur verhältuismäßig schmal ist, doch eine so verschichdene Entwicklung der 
Völker und bietet soviel Verkehrsschwierigkeiten, daß wir Korea zu den Kolonien zählen 
können. Die Japaner haben auch von vornherein in Korea ausgesprochene Kolonial= 
politik getrieben, desgleichen aber anch in dem zum eigentlichen Japan gehörigen Jesso 
und der von Rußland erworbenen Südhälfte Sachalins, so daß wir, streng genommen, 
auch diese bei der japanischen Kolonisation erwähnen müssen. In dem Verhältnis 
Jessos zu Japan haben wir einen Ausnahmezustand vor uns, der nicht einmal gestattet, 
Irland—England als Parallele heranzuzichen. Denn ist auch der Irländer dem Eng- 
länder weder an Wert noch Rasse zu vergleichen, so sind doch die Länder geographisch 
verwandt, was bei Jesso—Japan keineswegs der Fall. Das waldreiche Jesso hat trotz 
seiner Nachbarschaft ein ungleich rauheres und feuchteres Klima als das eigentliche 
Japan, ein Umstand, der eben die staatlichen Kolonisationsversuche hervorrief und 
 
	        
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