Full text: Deutschland als Kolonialmacht.

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künstliches Hochhalten der Preise um 50 Proz. zu vertenern. Statt 600 Millionen Mark 
brauchte Deutschland also nur 400 Millionen jährlich auszugeben, vermöchte es seine 
Baumwolle aus eigenen Produktionsgebieten zu beziehen. Hierbei ist die bei Erhöhung 
der Weltproduktion eintretende natürliche Verbilligung der Baumwolle noch unberück- 
sichtigt geblieben. Vorläufig wächst mit fortschreitender Entwicklung der Textilindustrie 
der absolute und relative Verlust Deutschlands immer weiter. Ein schwerer wirtschaft- 
licher Nachteil, der gerade die unteren Schichten der Bevölkerung, deren Bekleidung 
nur wenig mit den Kosten der Schneiderarbeit belastet ist, verhältnismäßig am stärksten 
trifft. Dies Beispiel zeigt klar, wie wichtig eigene Produktionsgebiete für die wirtschaft- 
liche Machtstellung des Staates und für die Wohlfahrt seiner Bevölkerung sind. 
Das Problem kolonialer Siedelung zur Ablenkung des Bevölkerungsüberschusses 
in eigene Gebiete stand zu den Zeiten stärkster Auswanderung in den achtziger Jahren, 
als jährlich ca. 200 000 Menschen das deutsche Vaterland verließen, im Vordergrund 
des Interesses. Es ist seit Beginn des 20. Jahrhunderts mehr und mehr zurückgetreten 
Nicht nur beanspruchte die rapide industrielle Entwicklung genug Hände, um die Aus- 
wanderung auf ein Minimum zurückzuschrauben, ja ein Mehr an Zuwanderung slawischer 
Arbeitskräfte zu veraulassen, es trat auch die unheimliche Erscheinung einer ständigen 
Abnahme des Volkszuwachses hervor. Diese Erscheinung gibt dem stark wachsenden 
Slawentum gegenüber zu unerfreulichen Perspektiven Veranlassung. Innerhalb des 
Germanentums macht sie sich allgemein bemerkbar und ergibt daher keine Verschiebung 
unter den germanischen Staaten. Den Romanen gegenüber, die wie Frankreich zum 
Teil auf Bevöllerungestilltand angekommen sind, bleibt — Italien ausgenommen — 
immer noch einc gewisse Uberlegenheit an Fruchtbarkeit übrig. 
Schwand somit die Notwendigkeit, Siedelungsgebiete für Massenauswanderung 
zu schaffen, so bleibt die Aufgabe, die Auswanderung in andere Staaten dem Deutschtum 
zu erhalten und in die Kolonien eine mehr qualitative als quantitative Answanderung 
zu lenken, bestehen. Wie sich aus den Einzelschilderungen unserer Kolonien ergibt, sind 
diese — Südwestafrika nicht ausgenommen — auch nur für ersteren Siedelungszweck 
geeignet. Selbst in den günstigsten Landstrichen Südwest= und Ostafrikas wird heute 
ein Anfangskapital von 10 000 Mark zur Siedelung für nötig erachtet. 
Ist uns aber weder Raum noch Menschenmaterial zur deutschen Massensiedelung 
gegeben, so wird die Verbreitung deutscher Sprache und Art in unseren Kolonien wie 
in allen anderen Teilen der Welt um so mehr zu einer unserer vornehmsten Aufgaben. 
Vielleicht ist sie die vornehmste überhaupt, denn die Blätter der Kolonialgeschichte sind 
voll von Beispielen, wie sich die Lösung bzw. Nichtbeachtung dieser Aufgabe belohnt 
oder bitter gerächt hat. Wie ein Mene Tekel muß das Schicksal Portugals vor unseren 
Augen stehen, und wie ein leuchtendes Vorbild die nationale Tüchtigkeit der Briten. 
Ein größerer Gegensatz läßt sich gar nicht denken, als die durch Vermischung für immer 
zerrütteten Portugiesen und die mit ihrer Nassenkraft alles aufsangenden Briten, die 
ohne sonderliche Vermehrung das stolze Wort von sich sprechen dürfen: „The world 
is rapidly beeoming english. Aber sic haben eben allmählich dic meisten anderen 
Nationen in den Baun ihrer Selbstherrlichkeit und mit einer förmlichen suggestiven 
Kraft zur Nachahmung alles Englischen gezwungen. Daß neben den heruntergekommenen 
Portugiesen das Spaniertum sich rassemäßig gesund, weltsprachlich geradezu stark 
erhalten hat, ohne irgendein anderes koloniales Verdienst als das des Rassenstolzes 
aufweisen zu können, macht die Wirkung nationaler Rassenkraft noch großartiger. 
Die industrielle Entwicklung hat uns zwar der Sorge um answärtige Unterbringung 
eines starken Bevölkerungsüberschusses enthoben, andererseits aber um so gebieterischer 
auf die Bahnen kolonial-imperialistischer Politik verwiesen; so daß Deutschlands Zukunft 
heute in noch weit stärkerem Maße als diejenige Italiens außerhalb seiner Grenzen liegt. 
Die Industric ist der Verbraucher jener Weltmarktrohstoffe, für deren Produktion sie, 
soweit die Heimat nicht genügt, Kolonien verlangt. Millionen haben die deutschen 
Spinnereien bereits für Baumwollplautagen in Deutsch-Afrika ausgegeben und werden 
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