Full text: Deutschland als Kolonialmacht.

40 ——¾] —2 
verpflichten, daran erinnert, daß es überhaupt eine deutsche Oberherrschaft gibt. Fern 
sei es jedoch von mir, einer gewaltsamen Unterwerfung des Ovambolandes das Wort 
zu reden. Dazu sind uns die dortigen Arbeitskräfte viel zu wertvoll. Vielmehr muß die 
Unterwerfung lediglich der Diplomatie überlassen werden, aber diese wird um so wirk- 
samer sein, je mehr Macht hinter ihr steht. Leutnants, deren Sinn nur auf einen Kriegs- 
orden gerichtet ist, sind daher zu dieser Aufgabe nicht zu gebrauchen. Nach erfolgter 
Besetzung des Ovambolandes werden wir dann mit Rücksicht auf dessen tropischen Cha- 
77 an einen allmählichen Ersatz der weißen Truppe durch Eingeborene herantreten 
müssen. 
Anders als bei ihren größeren Schwestern hat der Eiwerb und die Behauptung 
der Kolonie Togo sich im wesentlichen friedlich vollzogen. Dort ist man daher von Anfang 
an mit einer Polizeitruppe ausgekommen. Auch in der Südsee haben trotz des vielfach 
kriegerischen Charakters der Eingeborenen bis jetzt Polizeitruppen genügt. Denn in 
unseren dortigen Kolonien steht bei etwaigen größeren Unruhen das ostasiatische 
Kreuzergeschwader zur Verfügung. Kiautschon steht, wie schon erwähnt, entsprechend 
seinem Charakter als Kohlenstation, Kriegs= und Handelshafen in der Verwaltung der 
Marine, welche diese Aufgabe bisher in anerkennenswerter Weise gelöst hat. 
Im ganzen sind Deutschlands koloniale Streitkräfte gering, und das Verständnis 
der Volksvertretung für die militärischen Erfordernisse der Kolonien hat zuweilen im 
Gegensatz zu ihrem Verständnis für die heimatliche Wehrmacht gestanden. Indessen 
hat der große südwestafrikanische Aufstand den Beweis erbracht, daß Volk und Volks- 
vertretung, wo die Not es erfordert, auch auf kolonialem Gebiete vor schweren Opsern 
nicht zurückschenen. Mit rasch und in bedeutender Anzahl improvisierten Truppen wurde 
damals der Aufstand niedergeschlagen. Jedenfalls aber hätte diese Niederschlagung 
geringere finanzielle Opfer gefordert, wenn im alten Vaterlande eine stets zum Aus- 
rücken befähigte Kolonialreserve vorhanden gewesen wäre. Zum ersten Male ist daher 
in jenen Jahren bei uns die Frage der Errichtung einer Kolonialarmee als Reserve in 
der Heimat bei uns zur Erörterung gekommen, aber in der Folge allmählich wieder 
eingeschlafen. Zwar ist unseren Seebataillonen eine derartige Rolle zugedacht. Indessen 
sind diese für die besonderen Aufgaben des Kolonialkrieges nicht vorgebildet, außerdem 
aber leiden sie unter dem Mißstande einer für ihre Zwecke zu kurzen Dienstzeit. Ihre 
ältesten Soldaten dienen zwei Jahre, ihre jüngsten vielleicht nur wenige Monate, je 
nach der Zeit, in der die Notwendigkeit des Ausrückens an die Truppe herantritt. Endlich 
aber erscheinen die Seebataillone für unsere übersceischen Aufgaben zurzeit nicht mehr 
als ausreichend. Sowohl in China wie jetzt in Südwestafrika konnten sie nur als erste 
Staffel sowie zur Ausfüllung des dringendsten Bedarfes in Tätigkeit treten, während 
die Masse der erforderlichen Streitkräfte improvisiert werden mußte. Diese Improvi- 
sationen aber wiesen alle Mängel von solchen auf. 
Die koloniale Kriegführung, insbesondere die füdwestafrilanische, verlangt von 
jedem Kriegsteilnehmer besonders gutes Schießen sowie eine gewisse Reitfertigkeit. 
Nimmt man daher zu den Improvisationen den Ersatz aus der Kavallerie, so fehlt das 
erstere, wenn aus der Infanterie, das letztere. In Friedenszeiten konnten beide Lücken 
im Schutzgebiet selbst ausgefüllt werden, in Kriegszeiten dagegen blieb nur die Wahl, den 
Beginn der Kriegshandlungen zu vertagen, oder die Truppe unfertig an den Feind 
zu führen. Daß beides seine Schattenseiten hat, liegt auf der Hand. In den Kolonien 
selbst aber ständig so viele Truppen zu halten, daß man allen eintretenden Möglich- 
keiten gewachsen sein würde, dazu ist kein Staat reich genug. Anch die anderen großen 
Kolonialstaaten, England und Frankreich, tun dies daher nicht. Das letztere besitzt in 
der Heimat eine stets verwendungsfähige Kolonialarmec, und in England kann bei 
seinem Werbesystem die ganze Armee als eine solche gelten. 
Uns bleibt daher gleichfalls nichts übrig, als eine besondere Reserve in der Heimat 
bereitzustellen, gleichviel, welchen Namen wir ihr geben. Hauptmann v. Haeften vom 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.