Full text: Deutschland als Kolonialmacht.

  
  
  
   
       
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gesetz für die Schutzgebiete vom 22. Juli 1913. Während bisher die Reichsangehörigen 
in den Schutzgebieten verpflichtet waren, ihrer Wehrpflicht in der Heimat zu genügen, 
sieht das neue Gesetz vor, daß sie zur Erfüllung ihrer Dienstpflicht auch in der Schutztruppe 
zugelassen werden können. Durch Kaiserliche Verordnung kann eine Verpflichtung 
hierzu eingeführt werden, und von dieser Bestimmung wird voraussichtlich für Südwest- 
afrika Gebranch gemacht werden. Dementsprechend ist jetzt auch die Bildung eines 
Beurlaubtenstandes der Schutztruppe für Südwestafrika vorgesehen; zu diesem treten 
über die Offiziere, die aus den Offizieraspiranten des Beurlanbtenstandes der Schutz- 
truppe hervorgegangen sind, die Mannschaften, die in der Schutztruppe gedient haben, 
sowie auch die Mannschaften des Beurlaubtenstandes des Heeres und der Marine, die 
ihren dauernden Wohnsitz oder dauernden Anfenthaltsort im Schutzgebiet Südwest- 
afrika haben. Unter dieser Voraussetzung können auch Reserveoffiziere des Heeres und 
der Marine mit Zustimmung ihrer zuständigen Militärbehörden und des Reichskanzlers 
(Reichskolonialamt) zum Benrlanbtenstand der Schutztruppe für Südwestafrika über- 
geführt werden. Der Beurlanbtenstand in Südwestafrika unterliegt einer Kontrolle 
nach ähnlichen Grundsätzen, wie sie in der Heimat maßgebend sind. 
Inwieweit auch für die Bevölkerung der Schutzgebiete Ostafrika und Kamerun 
eine Verpflichtung zum Dienst in der Schutztruppe wird eingeführt werden können 
hängt von der weiteren Entwicklung dieser Schutzgebiete ab. Das Gesetz sieht im übrigen 
die Möglichkeit vor, Ubungen bei allen Schutztruppen abzuleisten, und zwar auch für 
Wehrpflichtige, die nicht in einem Schutzgebiete wohnen. 
Das Gesetz gestattet ferner allen wehrpflichtigen Reichsangehörigen ohne Rücksicht 
auf ihren Wohnsitz, ihrer aktiven Dienstpflicht als Ein= oder Mehrjährig-Freiwillige 
in der Schutztruppe für Südwestafrika zu genügen. Haben sie jedoch in Europa ihren 
Wohhnsitz, so bedarf es dazu der Einwilligung des Reichskanzlers (Reichskolonialamtes) 
und des zuständigen Kriegsministeriums. Die aktive Dienstzeit in der Schutztruppe 
für Südwestafrika beträgt zwei Jahre. Alle Personen des Beurlaubtenstandes des 
Heeres und der Marinc, sowie Personen des Landsturmes, die sich in einem Schutz- 
gebiete aufhalten, können in Fällen der Gefahr im Schutzgebiete durch Kaiserliche Ver- 
ordnung zu notwendigen Verstärkungen der Schutztruppe dieses Schutzgebietes heran- 
gezogen werden. Das gleiche gilt für Verstärkungen der Heeres= und Marineteile, die 
in einem Schutzgebiete Verwendung finden. Für die Daner außerordentlicher Ver- 
stärkungen können nach näherer Bestimmung des Reichskanzlers auch Nichtwehrpflichtige 
als Freiwillige bei den Schutztruppen zugelassen werden. 
Bevor ich diese Betrachtung schließe, seien mir noch einige Worte über den Wert 
unseres Menschenmaterials für Kolonialkriege gestattet. In neuerer Zeit sind, namentlich 
anläßlich des Balkankrieges, in bezug auf die Genügsamkeit mitteleuropäischer Soldaten 
sowie deren Fähigkeit zur Ertragung von Strapazen da und dort, auch in deutschen 
Zeitungen, abfällige Urteile erschienen. Demgegenüber kann ich aus eigener Erfahrung 
feststellen, daß unsere Soldaten in Südwestafrika eine außerordentliche Zähigkeit und 
eine geradezu rührende Genügsamkeit an den Tag gelegt haben. Selten haben sie sich 
zu Disziplinlosigkeiten, nie zu Gransamkeiten hinreißen lassen. Unsere jungen Offiziere 
haben sich, wie nicht zu leugnen ist, als etwas verwöhnter erwiesen, als wir dies früher 
gekannt hatten. Doch haben sie sich schließlich auch in die schweren Eutbehrungen mit 
Humor gefunden. In einem Punkte sind sie jedoch die alten geblieben, nämlich in bezug 
auf Schneid und oft zu blindem Draufgängertum, welch letzteres auf Patronillenritten 
zuweilen zu unnützen Opfern geführt hat. Und dieser Offensivgeist ist schließlich doch die 
Hauptsache, trotz seiner Mängel nnendlich besser als Vorsicht, die meist nur Ergebnisse 
in Falstaffschem Sinne zeitigt. Solange unsere Truppen diesen Geist bewahren, werden 
sie zu großen Leistungen befähigt sein.
	        
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