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Gegend zwischen Vietoria-Rjansa und Kilimandjaro reicht das Südende jenes großen
ostafrikanischen Grabens hinein, der seinen Ausgang im Jordantale nimmt und dann
durch das Rote Meer und den abefsinischen Graben fortgesetzt wird. Mit Ausnahme
des letztgenannten sind diese gewaltigen Erdrisse mit Wasser ausgefüllt. Es ist nicht
ausgeschlossen, daß einmal das Meer hier hineingeflutet hat. Dafür spricht die Fauna
und der Salzgehalt des Tanganika. 1
Der Nijassa liegt fast 500 m über dem Meerec, reicht aber mit seiner Maximaltiefe
von 700 m noch erheblich unter das Meeresniveau. Er entwässert durch Shire und
Sambesi zum Indischen Ozean. Die Länder im Norden und Nordosten des Sees
find deutsch. Hier ragt am östlichen Seeufer das Livingstonegebirge bis über 2000 m
empor. Seine eigenartige Faltung hinterläßt auf den Beschauer einen danernden
Eindruck: es sieht ans, als ob zahlreiche Reihen von vertikal durchgeschnittenen Pyra-
miden hintereinandergestellt sind, die kleinsten vorn, die höchsten hinten. Oben breitet
sich eine prachtvolle Ebene aus, deren Hauptteil die Landschaft Ukinga mit ihren
Hochweiden und — in der Nähe der Missionsstationen — ihren Hafer= und Weizen-
feldern einnimmt. Dort, wo Ruaha= und Rukwasenke mit dem Njassagraben zusammen-
stoßen, sind jungvulkanische Massen aus dem Erdinnern emporgequollen und haben
gewaltige Vulkane aufgetürmt, wie den Kjejo, den Ngosi mit herrlichem Kratersee
und den 3200 m hohen Rungwe. Durch diese Gebilde ist der Njassagraben von der
Ruaha- und Rukwasenke getrennt worden. Jene entwässert jetzt durch den Rufidji
zum Indischen Ozean, diese ist abflußlos und hat die zufließenden Gewässer zu dem
seichten und brackigen Rukwasee angesammelt, der periodisch ein oder zwei Drittel
der glühend heißen und sandigen Senke ausfüllt.
Der ebenfalls steilwandige 800 m hochgelegene Tanganika und der mit ihm durch
den Russissifluß verbundene Kivusee entwässern durch den Lukuga zum Kongo, also
zum Atlantischen Ozean. Auch im Norden des Tanganjika-Kivu-Systems ist vul-
kanisches Gebiet; hier ragen die noch tätigen Vulkane Namlagira und Niragongo bis
zu 3000 und 3400 m auf, der erloschene Karissimbi gar bis zu 4500 m. Während die
beiden großen Grabenseen 600 bis 700 km lang und durchschnittlich ein Zehntel so
breit sind, nähert sich das flache Becken des Vietoria-RNjansa mehr der Kreisform. Dies
und seine geringe Tiefe von höchstens 70 m spricht gegen die Annahme, daß auch er
seine Entstehung einem Einbruche verdankt. Er liegt auf 1100 m Höhe und seine Ufer
bilden im Gegensatz zu den beiden Grabenseen nicht hohe Steilabstürze.
Der dritte der großen Grabeneinbrüche zeigt nur unbedentende Wasseransamm-
lungen auf seiner Sohle, die aber, wie der Magad wegen ihres enormen Natron-
gehaltes wirtschaftliche Bedeutung erlangen können. Das vulkanische Zentrum in
dem auf deutscher Seite liegenden Teile des großen Grabens scheint der 20 km im
Durchmesser fassende 3200 m hochgelegene Riefenkrater — der größte der Welt —
Ngoröngoro zu sein. Der auf der Grabensohle gelegene „Gottesberg“ der Massai
— Gelei — zeigt gelegentlich noch eine Rauchwolke. Die gewaltigsten Erhebungen
dieses Vulkangebietes aber liegen etwas östlich herausgerückt; der kegelförmige Mern
mit 4200 m Höhe und der doppelgipflige Kilimandjaro, der eine Fläche so groß wie
der ganze Harz bedeckt und mit 6000 m Höhe der größte Berg Afrikas überhaupt ist.
Sein Kibogipfel stellt eine gewaltige Kuppe ewigen Eises dar.
Deutsch-Ostafrika läßt seine Gewässer in alle drei Ozeane ablaufen, die den dunklen
Erdteil umspülen. Das System des Victoria-Rjansa, dessen wichtigster Quellfluß die
nur in ihrem Mittelstück nicht schiffbare Kagera bildet, entwässert durch den Nil zum
Mittelmeer, das Njassasystem und die Hauptströme der Kolonie zum Indischen Ozean.
Als solche sind hier zu nennen: der nur auf 20 bis 30 km schiffbare Pangani, den die
Urwälder des Kilimandjaro und Meru speisen, Wami und Kingani, die aus Ussagara
und Uluguru kommen, dann der in ein Delta von wertvollen Mangroven ausmündende
Rufidji, dessen Unterlauf bereits auf 150 km Länge von einem Heckraddampfer be-
fahren wird, während vom Oberlaufe die Schiffbarkeit eines gleich großen Stückes