86 Zweites Buch. $ 21.
der gesetzlichen Schranken bewegen. Sie dürfen niemals eine An-
ordnung enthalten, welche mit einem Gesetz in Widerspruch steht.
Eine polizeiliche Verfügung kann entweder den Zweck haben, einen
Einzelnen zur Erfüllung gesetzlicher Pflichten anzuhalten; in diesem
Falle ist sie eine bloße Ausführung der Gesetze. Oder sie kann
darauf ausgehen, jemandem eine durch Gesetz nicht begründete Pflicht
aufzuerlegen, in diesem Falle hat sie den Charakter einer Tätigkeit,
welche nach freiem Ermessen der Polizeibehörde innerhalb gesetz-
licher Schranken ausgeübt wird.
Die polizeilichen Verfügungen konnten früher im Wege der
Beschwerde angegriffen werden. Die höhere Instanz, an welche
die Angelegenheit dadurch gebracht wurde, hatte dann sowohl über
die Rechtmäßigkeit als über die Zweckmäßigkeit und Angemessen-
heit der Verfügung zu urteilen. Nur ausnahmsweise wurde gegen
olizeiliche Verfügungen die Beschreitung des Rechtsweges zugelassen ?°,
Durch die Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist dagegen die
Möglichkeit gegeben, die Polizeiverfügungen im Wege des Ver-
waltungsstreitverfahrens anzugreifen, sofern dieselben den
Gesetzen nicht entsprechen oder den davon Betroffenen in seinen
Rechten verletzen. Die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte beruht
in Bayern und Anhalt auf einer Reihe von Spezialbestimmungen, in
setzlich festgestellt sein, sie kann aber auch auf Gewohnheitsrecht beruhen.
Eine gesetzliche Feststellung findet sich im preußischen Landrecht T. II, Tit. 17,
$ 10, wo die Aufgabe der Polizei — allerdings etwas enger, als es hier ge-
schehen ist — dahin formuliert wird, sie habe die nötigen Anstalten zur Er-
haltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung und zur Abwehr der
dem Publikum oder einzelnen Mitgliedern desselben bevorstehenden Gefahr zu
treffen. [Vgl. Otto Mayer 1, 122%.] Im Anschluß an diese Bestimmung er-
achtet das preußische Oberverwaltungsgericht da, wo polizeiliche Verfügungen
im Interesse der öffentlichen Sicherheit oder zur Abwendung von Gefahren
erlassen werden, eine spezielle gesetzliche Ermächtigung nicht für erforderlich
(0.V.G. 11, 365), während eine solche verlangt wird, wenn die Polizei lediglich
im Interesse der öffentlichen Wohlfahrt einschreitet (0.V.G. 15, 427). Im Gegen-
satz zu der hier vertretenen Auffassung forden Laband, Rosin, Loe-
ning u. a. ein ausdrückliches Gesetz für jedes politische Gebot oder Verbot;
und dieser Ansicht scheint sich im allgemeinen auch das preuß. Oberverwal-
tungsgericht zuzuneigen (0.V.G. 12, 400) Übereinstimmend Ulbrich, österr.
Staatsr. $ 149 S. 398 Nr. 2; Zorn, Annalen 1885 S. 309 Nr. 1; Bornhak,
reuß. Staatsr. 8, 139. gl. hierzu Anschütz: „Die im Text vertretene Auf-
assung über das Verhältnis der Verwaltung, namentlich der Polizei, zum Ge-
setz findet sich allein noch bei Sarwey, Allgemeines Verwaltungsrecht S. 36,
der von Rosin, Schmollers Jahrbuch 9, 308 überzeugend widerlegt worden
ist. Sie steht seitdem in der Wissenschaft allein (vgl. Laband 2, 1801; An-
schütz, Pr. Verw.Bl. 12, 84°) und hat auch in der Praxis keine Zustimmung
efunden. Das preuß. 0.V.G. verwirft sie in der Entscheidung 12, 400 aus-
rücklich.“ Meyer-Anschütz $ 178%. — Vgl. auch Rosin. Polizeiverord-
nungsrecht, S. 18.]
2° Nach dem preuß. G. über die Zulässigkeit des Rechtsweges in Beziehung
auf polizeiliche Verfügungen vom 11. Mai 1842 $$ 1, 2 konnte der Rechtsweg
dann beschritten werden, wenn es sich um Verletzung eines zum Privateigen-
tum gehörenden Rechtes handelte und die Befreiung von der auferlegten Ver-
pfliehtung auf Grund einer besonderen gesetzlichen Vorschrift oder eines spe-
ziellen Kechtstitels behauptet wurde. Ahnliche Bestimmungen bestanden in
Anhalt (G. über die Polizeiverwaltung vom 1. Juli 1864 $ 28).