Full text: Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechtes.

90 Zweites Buch. $ 21. 
streitverfahrens eine Tätigkeit aus, welche sich ihrem materiellen In- 
halte nach als eine Verwaltungstätigkeit charakterisiert #, 
3. Der Ungehorsam gegen polizeiliche Maßregeln, 
unter welchen Gesichtspunkt sowohl die Nichtbefolgung eines poli- 
zeilichen Gebotes oder Verbotes, als die Vornahme einer konzessions- 
pflichtigen Handlung ohne Erlangung der Konzession fällt, kann eine 
zweifache Folge haben: Bestrafung des Zuwiderhandelnden und 
Anwendung von Zwangsmitteln gegen denselben. 
Die Bestrafung des Zuwiderhandelnden setzt voraus, 
daß die Übertretung der betreffenden Anordnung gesetzlich, d. h. 
entweder durch ein Gesetz i. e. S. oder durch eine auf gesetzlicher 
Basis beruhende Polizeiverordnung mit Strafe bedroht ist. Solche 
Strafandrohungen kommen namentlich bei den allgemeinen Verboten 
und Geboten vor, welche in den Gesetzen oder den Verordnungen 
selbst enthalten sind. Es kann jedoch auch der Ungehorsam gegen 
die in Ausführung des Gesetzes zu erlassenden polizeilichen Ver- 
fügungen schon durch das Gesetz mit Strafe bedroht sein. Die in den 
Polizeigesetzen enthaltenen Strafbestimmungen haben den Charakter 
gewöhnlicher strafrechtlicher Vorschriften. Sie werden in Anwendung 
gebracht, weil und nachdem feststeht, daß die gesetzliche Vor- 
schrift oder die in Ausführung derselben erlassene Verfügung tber- 
treten ist. Die Verbängung der Strafen steht den ordentlichen Ge- 
richten zu. Der Richter ist dabei befugt, die Rechtmäßigkeit, aber 
nicht die Zweckmäßigkeit einer Verfügung zu prüfen. Die Polizei- 
behörden besitzen höchstens das Recht einer provisorischen Straf- 
festsetzung. 
Die Zwangsmittel, welche gegenüber den Personen, die poli- 
zeilichen Anordnungen zuwiderhandeln, in Anwendung gebracht 
werden können, sind dreifacher Art®. 1. Die Polizeibehörden 
können Handlungen, welche der dazu Verpflichtete nicht vornimmt, 
durch einen Dritten ausführen lassen und den Kostenbetrag exekuti- 
visch beitreiben. 2. Die Polizeibehörden sind befugt, jemandem eine 
Handlung oder Unterlassung bei Androhung einer Strafe anzube- 
fehlen®. Die Strafart und der Höchstbetrag der Strafen sind ge- 
setzlich fixiert. Diese Strafen haben nicht den Charakter von Strafen 
im eigentlichen Sinne, sondern den von Zwangsmitteln. Sie werden 
nicht erkannt, weil und nachdem eine Übertretung stattgefunden 
hat, sondern zu einer Zeit, wo es noch zweifelhaft ist, ob eine 
#2 Dieses Verfahren ist namentlich in Preußen üblich (2.G. 88 119, 120. 
V. vom 81. Dezember 1883 $S 4, 5). 
** Preuß. G. über die Polizeiverwaltung vom 11. März 1850 8 20. V. über 
die Polizeiverwaltung in den neu erworbenen Landesteilen vom 20. September 
1867 $ 18. L.V.G. $5 132—134.  Bayr. Pol. St.G.B. Art. 16, 20, 21. Sächs. G. 
über Kompetenzverhältnisse zwischen Justiz- und Verwaltungsbehörden vom 
28. Januar 1835 $ 2; St.O. für mittlere und kleinere Städte Art. IV, $ 14; L.G.O. 
$ 76. Württ. Verw.Ed. vom 1. März 1822 $$ 15, 16, 98, G. v. 12. August 1879 
Art. 2. Bad. Pol.Str.G.B. $$ 30, 31. Hess. G. betr. die innere Verwaltung und 
die Vertretung der Kreise und Provinzen, vom 12. Juni 1884 Art. 80; St.O. 
Art. 56. 
3 Dem französischen Recht ist dieses Strafandrohungsrecht unbekannt, 
infolge dessen besteht es auch nicht in Elsaß-Lothringen.
	        
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