I. Physische Personen. $ 3%. 107
Die Beurkundung der Geburten und Sterbefälle findet
auf Grund einer dem Standesbeamten erstatteten Anzeige statt.
Damit die betreffenden Tatsachen sämtlich zur Kenntnis des Standes-
beamten gelangen, ist bestimmten Personen eine Anzeigepflicht
auferlegt. Die Versäumnis dieser Pflicht bedroht das Gesetz mit
Strafe 1%, der Standesbeamte hat außerdem die Befugnis, den Pflichti-
gen durch Geldstrafen zur Erfüllung derselben anzuhalten!’. Die
Pflicht zur Anzeige liegt ob: 1. bei Geburten und Sterbe-
fällen; welche in öffentlichen, d. h. von einem Beamten des
Reiches, eines Staates, eines Kommunalverbandes oder einer öffent-
lichen Kirchengesellschaft geleiteten ® Entbindungs-, Hebammen-,
Kranken-, Gefangen- und ähnlichen Anstalten, sowie in Kaser-
nen sich ereignen, dem Vorsteher der Anstalt oder dem von der zu-
ständigen Behörde ermächtigten Beamten !?; abgesehen von diesem
Falle; 2. bei Geburten: a) dem ehelichen Vater, b) der bei der
Niederkunft zugegen gewesenen Hebamme, c) dem dabei zugegen
&ewesenen Arzt, d) jeder anderen zugegen gewesenen Person, e) der
Mutter, [sobald sie dazu imstande ist?%]; 3. bei Sterbefällen:
dem Familienhaupt, oder demjenigen, in dessen Wohnung oder Be-
hausung sich der Sterbefall ereignet hat, d. h. nicht dem Eigentümer
des Hauses, sondern dem Inhaber der Wohnung*!. Die Anzeige
einer Geburt muß innerhalb einer Woche®?, die eines Todesfalles
spätestens am nächsten Wochentage®®, die der Geburt eines totge-
borenen oder in der Geburt verstorbenen Kindes spätestens am
nächstfolgenden Tage geschehen %. Die Anzeige ist mündlich zu
machen, vom Verpflichteten selbst oder durch eine andere aus eigener
Wissenschaft unterrichtete Person, nur die vorher erwähnten An-
staltsvorsteher können sie schriftlich in amtlicher Form erstatten ®5,
Der Standesbeamte kann die Eintragung auf Grund der Anzeige
.,,'° P.St.G. $ 68. Die Strafe trifft jeden, der die Anzeige entweder gar
nicht oder nicht rechtzeitig oder nicht in der vom Gesetz vorgeschriebenen
Form erstattet. Vgl. v. Sicherer, Kommentar S. 422 ff. -
1 P.St.G. $ 68.
4r. '® Über den Begriff „öffentlich“ vgl. v. Sicherer, Kommentar $. 73
IHinschius-Boschan* $ 20% S. 466; Sartorius S. 148, Stölzel S. 47.]
18 P.St.G. 88 20, 58. '
2° P.St.G. $ 18.
21 P.St.G. $ 57. al. StölzelS$.143; Sartorius S. 371, über den Begriff’
der Behausung: Der Unterschied von „Wohnung“ und „Bebausung. liegt nicht
Im Zwecke, dem sie dienen, sondern in der Beschaffenheit des Raumes, der
demselben Zwecke dienen kann. Unter Behausung ist also zu verstehen ein
wegen seiner Beschaffenheit nicht als „Wohnung“ zu bezeichnender Raum, in
dem jemand seine Unterkunft, insbesondere seine Schlafstätte hat; A. A.
Hinschius® S. 188. Nr. 30. v. Sicherer S. 394; [Hinschius-Boschan
1970: Behausung ist ein Raum, welcher, wenn auch in einfachster Art, dessen
haber von der Außenwelt trennt, ihm ein „Zuhause“, insbes. dauernde Unter-
kunft und Schlafstätte gewähren soll, während „Wohnung“ eine gewisse Be-
haglichkeit der Einrichtung — Wohnlichkeit — voraussetzt.]
= P.St.G. $ 17:
ss P'St.G. 8 56.
4 PSt.G. 8 28.
» PSt.G. 88 19, 20, 58.