Full text: Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechtes.

III. Heimats- und Niederlassungsrecht. $ 35. 115 
an bestimmten Orten zu untersagen oder anzuweisen®. Diese 
Befugnisse der Verwaltungsorgane zerfallen in zwei Klassen: 1. Be- 
fugnisse der Polizeibehörden, welche im Interesse der öffent- 
lichen Sicherheit eingeführt, 2. Befugnisse der Gemeinden und 
Armenverbände, die durch Rücksichten der Armenpflege ver- 
anlaßt sind. 
I. Die sicherheitspolizeilichen Befugnisse beziehen sich 
auf bestrafte Verbrecher. Für diese gelten folgende Vor- 
schriften: 
a) Kraft reichsgesetzlicher Bestimmung kann solchen 
bestraften Verbrechern, welche auf Grund eines richterlichen Er- 
kenntnisses unter Polizeiaufsicht gestellt sind, der Aufenthalt an 
einzelnen bestimmten Orten untersagt werden”. 
Außerdem sind diejenigen landesgesetzlichen Vorschriften, 
welche bei bestraften Verbrechern Aufenthaltsbeschränkungen ge- 
statten, durch das Gesetz über die Freizügigkeit aufrecht erhalten 
worden®. Dieselben werden auch nach dem Erlaß des Reichsstraf- 
gesetzbuches als fortbestehend erachtet”. Nach Maßgabe derselben 
darf Personen, welche wegen gewisser Verbrechen oder zu gewissen 
Strafen verurteilt sind, der Aufenthalt an einzelnen Orten unter- 
sagt werden!‘. Die betreffenden Vorschriften finden in gleicher 
Weise auf Angehörige des Staates, von dem die Maßregel ausgeht, 
und auf Angehörige anderer deutscher Staaten Anwendung!!, Eine 
Landesverweisun g ist bei Angehörigen anderer deutscher Staaten 
ebensowenig zulässig wie bei den eigenen Angehörigen ". 
—__ 
® Diesen durch die Reichsgesetzgebung aufgestellten Aufenthaltebe- 
se zankungen unterliegen auch die Standesherren. Vgl. Meyer-Anschütz 
0 ” R.Str.G.B. 88 [38] 39. [Das Aufenthaltsverbot bezieht sich nicht nur auf 
Ttschaften, sondern auch innerhalb derselben auf einzelne Plätze, Straßen, 
äuser, Vgl. Frank, Kommentar $ 39 V. zu Nr. 1.] 
S ®° F.G. $3 Abs.1. Seydel, Annalen 1890 S. 90; E.Mayer, Annalen 1890 
«561. [pr. O.V.G. 9, 419.] 
® Diese Ansicht hat eine entschiedene Anerkennung in der Praxis gefunden, 
welche sowohl in gerichtlichen Entscheidungen, Erlassen höherer Verwaltungs- 
ehörden und Gesetzen (sächs. G. vom 15. April 1886, württembg. G. vom 
. März 1892) zum Ausdruck gekommen ist. 
1° Preuß. G. über die Aufnahme neu anziehender Personen vom 31. De- 
zember 1842 8 2. Bayr. G. über Heimat, Verehelichung und Aufenthalt vom 
(16. April 1868 in der Fassung vom 30. Juli 1899. Art. 37, 39 Zi. 5 u. 6.] Sächs. 
e die Befugnis der Polizeibehörden zum Erlaß von Aufenthaltsbeschränkungen 
8°genüber bestraften Personen betr., vom 16. Juni, 1885 Art. 57—60. 
U Die aus der Zeit vor Erlaß des Freizügigkeitsgesetzes herrührenden 
Gesetze haben allerdings nur An ehörige des betreffenden Staates im Auge. Bei 
Angehörigen anderer -deutscher Staaten waren derartige Bestimmungen nicht 
notwendig, da diese als Ausländer der Landesverweisung unterlagen. Nachdem 
dieselben aber in bezug auf Niederlassung und Aufenthalt den Inländern gleich- 
‚stellt und die Landesverweisung bei ihnen ausgeschlossen war, mußten nuch die 
r Inländer bestehenden Aufenthaltsbeschränkuugen auf sie Anwendung finden. 
12 Die Fortdauer derselben behaupten Seydel, Annalen 1890 S. 91, 95,. 
  
  
97, 176; E. Mayer, ebenda S. 562, 564, 565. Nun bestand die Landesverweisung 
egenüber Angehörigen anderer deutscher Stasten früher in einer zweifachen 
orm: als polizeiliche Maßregel, welche eine Bestrafung nicht voraussetzte, 
sondern aus Gründen der öffentlichen Sicherheit erfolgen konnte, und als Strafe, 
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die durch gerichtliches Erkenntnis auszusprechen war. Erstere wurde durch 
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