III. Heimats- und Niederlassungsrecht. $& 39. 131
Recht, dieselbe zu fordern!*. Eine Unterlassung oder Verzögerung
der Überführung durch Schuld des vorläufig verpflichteten Armen-
verbandes bewirkt, daß dieser seinen Anspruch auf Schadloshaltung
überhaupt oder für die Zeit der Verzögerung einbüßt.
Aus dem Grundsatz der armenrechtlichen F'amiliengemeinschaft
ergibt sich, daß wenn ein Familienglied unterstützungsbedürftig wird,
der vorläufig verpflichtete Armenverband von dem definitiv ver-
pflichteten auch die Übernahme des Familienhauptes fordern kann.
Denn die dem Familiengliede gewährte Unterstützung gilt als dem
Familienhaupt geleistet. Dementsprechend muß aber auch der defi-
nitiv verpflichtete Armenverband für berechtigt erachtet werden, die
Überführung des Familienhauptes in seine Fürsorge zu verlangen '*.
Auch wenn das Recht oder die Pflicht zur Übernahme durch An-
erkenntnis oder rechtskräftige Entscheidung feststeht, kann die tat-
sächliche Vollstreckung der Ausweisung ausgeschlossen werden:
1. durch eine Vereinbarung der beteiligten Armenverbände!®, 2. durch
eine Verfügung der Spruchbehörde, welche das Verbleiben des Hilfs-
bedürftigen in seinem bisherigen Aufenthaltsorte gegen Erstattung
eines von dem definitiv verpflichteten Armenverbande zu zahlenden
Unterstützungsbetrages anordnet. Eine solche Verfügung ist zu-
lässig, wenn mit der Ausweisung Gefahr für Leben und Gesundheit
des Auszuweisenden oder seiner Angehörigen verbunden sein würde,
oder wenn die Ursache der Erwerbs- oder Arbeitsunfähigkeit des
Auszuweisenden durch eine im Reichskriegsdienste oder bei Gelegen-
heit einer Tat persönlicher Selbstaufopferung erlittene Verwundung
oder Krankheit herbeigeführt ist, oder endlich, wenn sonst die Weg-
weisung vom Aufenthaltsorte mit erheblichen Härten oder Nachteilen
für den Auszuweisenden verbunden sein sollte!. Dem Hilfsbe-
dürftigen selbst ist dura®diese Bestimmungen kein Recht beigelegt'!®;
der Antrag auf Belassung desselben kann daher nur von einem der
beteiligten Armenverbände gestellt werden. .
Ein gleicher Anspruch auf Schadloshaltung und auf Übernahme,
wie ihn der vorläufig verpflichtete Armenverband besitzt, steht auch
demjenigen Armenverbande zu, welcher, ohne verpflichtet zu sein, eine
Unterstützung tatsächlich geleistet hat. Und zwar besteht dieser An-
spruch sowohl in dem Falle, wo der unterstützende Armenverband
die Sorge für den Hilfsbedürftigen freiwillig, etwa, weil er sich irr-
tümlich für verpflichtet hielt, übernommen, als auch in dem Falle,
“ U.W.G.$ 32. [Auf die Landesarmenverbände, denen nach Bestimmungen
der Landesgesetze einzelne Zweige der öffentlichen Armenpflege übertragen
sind, gehen die Rechte und Pflichten der Ortsarmenverbände über. U.W.G. 32a,
eingefügt durch G. vom 12. März 1894.
_ ‚1 Vgl.Krech, Arch. f.öff. R. 1, 212, 709. Der Grundsatz kann allerdings
Härten und Unzuträglichkeiten zur Folge haben, ist aber als rechtliche Kon-
sequenz der bestehenden Vorschriften nicht abzulehnen. — Vgl. dazu Münster-
berg V.R.W. 1, 68.
18 U.W.G. $ 55.
17 U.W.G. $ 56.
.W.G. 8 61.
'® Seydel S. 611. [Condictio indebiti. Vgl. Eger, Anm. 120 B, 3 und
Anm. 85. IIL]
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