Full text: Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechtes.

IV. Reichs- und Staatsangehörigkeit. $ 44. 143 
keit besitzen, der Reichskanzler. Die Entziehung ist zulässig 
gegenüber folgenden Personen: 
Personen, welche im Falle eines Krieges oder einer Kriegs- 
gefahr einer ausdrücklichen Aufforderung zur Rückkehr, die von 
dem Kaiser für das ganze Reichsgebiet erlassen wird, binnen der 
darin bestimmten Frist, keine Folge leisten ?°, 
Personen, welche ohne Erlaubnis ihrer Regierung in fremde 
Staatsdienste treten und einer ausdrücklichen Aufforderung zum Aus- 
tritt binnen der darin bestimmten Zeit keine Folge leisten °!. 
Über das Vorhandensein der gesetzlichen Voraussetzungen ent- 
scheidet die Zentralbehörde bzw. der Reichskanzler; ein Rechtsmittel 
gegen deren Beschluß ist nicht gegeben. 
3. Aufenthalt der Ausländer im Reichsgebiet. 
Ausländer! haben kein echt, sich im Reichsgebiet aufzuhalten. 
Sie können durch polizelliche Verfügungen? des Landes ver- 
wiesen werden. Dieses Ausweisungsrecht ist den Polizeibehörden 
durch ausdrückliche reichsgesetzliche Vorschriften für den Fall ge- 
wisser strafgerichtlicher Verurteilungen ® beigelegt worden. Nach an- 
erkannten Staats- und völkerrechtlichen Grundsätzen kann aber die 
Ausweisung eines Ausländers auch ohne gesetzliche Grundlage* er- 
olgen, wenn sie im Interesse der öffentlichen Sicherheit notwendig 
wird oder wenn derselbe der Armenunterstützung verfällt. 
Zuständig für die Verfügung der Ausweisungen ist in den 
reichsgesetzlich festgestellten Fällen die Landespolizeibehörde°; bei 
den übrigen Ausweisungen richtet sich die Zuständigkeit nach Landes- 
  
20 St.A.G. 8 20. 
21 St.A.G. $ 22. 
! [Zur geschichtlichen Entwicklung der privatrechtlichen Gleichstellung 
der Staatsfremden mit den Staatsangehörigen und über die öffentlich rechtlichen 
Ausnahmen vgl. Gierke 1, 444, 446. tto Mayer 2, 455: Gewisse Lasten 
werden Ausländern nicht zugemutet, gewisse Vorteile nieht gewährt. -- Über 
die Gewerbefreiheit der Ausländer vgl. Landmann-Rohmer 1, $ 1?i. 
[Der Ausländer kann ausgewiesen werden, er ist nur geduldet. nel 
Laband 1, 140: v. Liszt, Völkerrecht, $ 25, II; die Ausweisung erfolgt 
ohne richterliches Erkenntnis. Mittellose, vagabundierende, ausweislose und 
sonstwie verdächtige Individuen (vgl. v. Ullmann, Völkerrecht, S. 369) können 
zwangsweise abgeschoben werden. Ebenfalls erfolgt nur die Auslieferung von 
usländern auf Äntrag der strafberechtigten Regierung. v. Ullmann, Völker- 
recht, S. 367, 395; v. Liszt, Strafrecht, $ 23, I; vgl. daselbst die Zusammen- 
stellung der Auslieferungsverträge des Deutschen Reiches mit andern Staaten; 
Literatur über Auslieferung bei: Metgenberg, Arch. f. öffentl. R. 25,1; Loh- 
mann, Der deutsch-griechische Auslieferungsvertrag vom 12. März 1907. 1909; 
Meyer-Anschütz 8 215 
. , , RStr.G.B. $$ 39 Ziff. 2, 284, 362 Abs. 4. Nach diesen Bestimmungen 
sind Ausweisun en zulässig gegenüber solchen Personen, welche wegen ge- 
werbsmäßigen Glückspiels verurteilt sind oder gegen die auf Zulässigkeit der 
Polizeiaufsicht oder auf Überweisung an die Tandespolizeibehörde erkannt ist. 
— Meyer-Anschütz $ 215. 
. ‚@ito Mayer 2, 456.: Das Ausweisungsrecht bedarf keiner gesetz- 
lichen Grundlage. — Vgl. Kayser-Loening, Art, Ausweisung, H.W.B.? 2, 314.] 
® RStr.G B. 8$ 39, 284, 362. Bek. d. Reichsk. vom 5. Juli 1872.
	        
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