146 Zweites Buch, Zweiter Abschnitt. $ 46,
I. Ordentliche sicherheitspolizeiliche Maßregeln.
i. Allgemeine Maßregeln.
$ 46.
Allgemeine Maßregeln sind:
1. Verhaftungen!,
Eine Verhaftung kann entweder eine strafprozessualische
oder eine polizeiliche Maßregel sein. Die strafprozessualische
Verhaftung findet zu dem Zweck statt, die Bestrafung eines Ver-
brechers herbeizuführen; die polizeiliche Verhaftung erfolgt zur Auf-
rechterhaltung der öffentlichen Sittlichkeit, Ruhe und Sicherheit, ins-
besondere zur Verhütung von Verbrechen, oder zum eigenen Schutze
der verhafteten Person.
Die Reichsstrafprozeßordnung gestattet die Verhaftung wegen
eines begangenen Verbrechens: 1. auf Grund eines richterlichen Haft-
befehls, 2. durch Polizei- und Sicherheitsbeamte bei Gefahr im Ver-
zuge, 3. durch jeden Privaten bei Betreffen auf frischer Tat, wenn
der Verbrecher der Flucht verdächtig ist oder seine Persönlichkeit
nicht sofort festgestellt werden kann®.
Die polizeiliche Verhaftung hat nur durch wenige Landes-
gesetze eine ausdrückliche Regelung erfahren®, deren Bestimmungen
durch die Reichsstraff Bord die lediglich von der straf-
prozessualischen Verhaftung handelt, nicht berührt worden sind*.
Auch ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung muß der Polizei
als Ausfluß ihrer allgemeinen Zwangsgewalt die Befugnis zugestanden
werden, Verhaftungen vorzunehmen, wenn diese im Interesse der
öffentlichen Sicherheit, Ruhe oder Sittlichkeit oder zum eigenen
Schutze der verhafteten Person notwendig erscheinen. Darüber, ob
diese Voraussetzungen vorliegen, entscheidet das Ermessen der zu-
ständigen Polizeibeamten. Die durch eine polizeiliche Verhaftung
veranlaßte Haft hat also weder den Charakter einer Untersuchungs-
noch den einer Strafhaft, sondern den einer polizeilichen Ver-
wahrung. Daraus folgt, daß der Verhaftete entlassen werden muß,
wenn die Gefahr, wegen welcher die Verhaftung erfolgte, beseitigt
ist. Die Landesgesetze bestimmen den Zeitranm, innerhalb dessen
die Entlassung zu erfolgen hat.
X Seuffert, Art. Verhaftung und verwandte Maßnahmen. V.R.W. 2, 671.
[Goldschmidt, Strafrechtevergleichung Allg. T. 4, 336.
® R.Str. P.O. $$ 112—132. [Verhaftung und vorläufige Festnahme. Es
handelt sich in beiden Fällen um Freiheitsbeschränkungen, im ersteren Falle
auf Grund richterlicher Anordnung, im anderen Falle ohne dieselbe.)
3 yet. Seuffert V.R.W.2, 690 über Freiheitsbeschränkungen aus polizei-
lichen Gründen.]
+ Übereinstimmend: Seuffert V.R.W. 2, 676.