Full text: Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechtes.

158 Zweites Buch. Zweiter Abschnitt. $ 53. 
Landesgesetzgebung die Verbreitung von Bekanntmachungen, Plakaten 
und Aufrufen solchen Personen zu untersagen, welche nach Maß- 
gabe der reichsgesetzlichen Vorschriften zur Verbreitung von Druck- 
schriften befugt sind'*. Aber auch der sachliche Geltungsbereich 
der Landesgesetzgebung ist durch reichsgesetzliche Festsetzung in- 
soweit beschränkt worden, als die Verteilung von Bekanntmachungen, 
Plakaten und Aufrufen zu Wahlzwecken während der Wahlzeit und 
die nicht gewerbsmäßige Verteilung von Bekanntmachungen, Plakaten 
und Aufrufen in geschlossenen Räumen, auch wenn diese sonst den 
Charakter öffentlicher Orte haben, von einer polizeilichen Erlaubnis 
nicht abhängig gemacht, demnach auch nicht durch eine allgemeine 
gesetzliche Bestimmung verboten werden darf». 
14 Dies ergibt sich aus der Entstebungsgeschichte des $ 30 des Preß-G. 
Die Regierungsvorlage vom 11. Febr. 1874 (Sten. Ber. 8, 135 ff.) stellte in $ 3 
für die nicht gewerbsmäßige Verbreitung von Preßerzeugnissen an öffentlichen 
Orten ganz allgemein das Erfordernis einer polizeilichen fenehmigung auf. In 
$ 14 beschränkte sie die Befugnis zum Anheften, Anschlagen und der unent- 
geltlichen Verteilung von Bekanntmachungen, Plakaten und Aufrufen auf amt- 
iche Bekanntmachungen, Ankündigungen über nicht verbotene Versammlungen, 
gestohlene, verlorene und gefundene Sachen, Verkäufe, Vermietungen und andere 
Nachrichten für häusliche Zwecke und den gewerblichen Verkehr. An Stelle 
  
les $ 3 der Regierungsvorlage setzte die Kommission den jetzigen $5 des 
Preßgesetzes, welcher eine Erlaubnis nicht für notwendig erklärt, sondern nur 
c 
1 
die Zulässigkeit eines Verbotes ausspricht, und zwar mit der Motivierung, daß 
{ 
] 
  
ladurch für die Kontrolle über die mit dem nicht gewerbsmäßigen Vertrieb von 
Preßerzeugnissen sich beschäftigenden Personen ausreichend gesorgt sei 
(Kommiss. Ber. vom 10. März 1874. Sten. Ber. a.a. O.S. 251). Der betreffende 
$ wurde vom Reichstage ohne Debatte angenommen und auch von der Regierung 
nicht weiter bekämpft (Sitzung vom 16. März 1874. 'Sten. Ber. 1, 389). An Stelle 
des yi4 der Regierungsvorlage schlug die Kommission eine Fassung vor, welche 
die Plakate völlig freigab und nur die Ablieferung -eines Pflichtexemplars 
vorschrieb (Kommies. Ber. a. a. O. S. 252, 259). Diese Fassung wurde vom 
Reichstage in zweiter Beratung angenommen (Sitzung vom 19. März 1874. Sten. 
Ber. 1, 430), in dritter Beratung aber wegen des Widerspruches der verbündeten 
Regierungen wieder aufgegeben und an ihre Stelle die hier in Frage stehende 
Bestimmung des jetzigen $ 30 gesetzt. (Sitzungen vom 24. u. 25. April 1874. 
Sten. Ber. 2, 1101 u. 1118) Wie der Abg. Dr. Marquardsen im Namen der An- 
tragsteller in dritter Beratung ausführte (Sten. Ber. a. a. O. S. 1084), sollte dieselbe 
lediglich die Bestimmungen in $ 14 der Regierungsvorlage ersetzen, also nur 
auf die sachlichen Beschränkungen des Plakatwesens Bezug haben. Demnach 
kann nicht angenommen werden, daß dadurch der Landesgesetzgebung die 
Befugnis gegeben ist, gegenüber den Bestimmungen des $ 48 der Gew.O. und 
des $ 5 des Preß-G. noch weitere persönliche Beschränkungen eintreten zu lassen. 
Vgl. auch v. Liszta.a. 0.5.57 ff. 
15 Gew.O. $ 43. Hier werden allerdings nicht bloß Bekanntmachungen, 
Plakate und Aufrufe, sondern ganz allgemein Druckschriften zu Wahlzwecken, 
ferner Stimmzettel, bei der Verbreitung in geschlossenen Räumen neben Druck- 
schriften auch noch andere Schriften und Bildwerke erwähnt. Diese Anführungen, 
die durch die N. 13 erwähnte Praxis der preußischen Behörden veranlaßt sind 
(vgl. die Ausführungen des Abg. Traeger in der Reichstagssitzung vom 
12. April 1883. Sten. Ber. 8, 1879 ff, und des Abg. Richter-Hagen in der 
Reichstagssitzung vom 1. Juni 1888. Sten. Ber. 4, 2723), müssen vom Stand- 
unkte des geltenden Rechtes aus als überflüssig bezeichnet werden. Denn die 
andesgesetzgebung besitzt keinerlei Befugnis, für die unentgeltliche Verteilung 
von anderen Druckschriften als Bekanntmachungen, Plakaten und Aufrufen 
irgend welche Beschränkungen einzuführen. Für Stimmzettel ist die Frage 
außerdem durch das R.G. vom 12. März 1884 erledigt. 
  
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.