Sittenpolizei. $ 71. 183
förderung der Sittlichkeit beschränkt sich nicht auf die Verbote un-
sittlicher Handlungen. Wichtiger und wirksamer als sie sind die-
jenigen Maßregeln, welche die Beseitigung von Anreizungen zur
Unsittlichkeit bezwecken. Diesem Zwecke dienen gewisse Befugnisse
der Polizeibehörden, deren Darstellung Sache des Verwaltungsrechtes.
ist. Sie betreffen namentlich:
1. Die Regelung der Prostitution.
2. Die Überwachung der Gast- und Schankwirt-
schaften.
3. Spiel und Wette.
In neuerer Zeit ist auf dem Gebiete der Sittenpolizei neben die
» bisherige, rein negative Tätigkeit eine positiv fördernde ge-
treten®. Diese liegt auf dem Gebiete des Erziehungswesens. Die
sittliche Erziehung der heranwachsenden Generation ist zwar zunächst
Sache der Familie, welcher die Schule ergänzend und fördernd zur
Seite tritt. Wo aber die Familie die notwendigen Garantien für die
Erfüllung dieser Aufgabe nicht darbietet, da sollen an ihrer Stelle
Staat und Gemeinde die Fürsorge für die Erziehuug übernehmen.
So hat sich ein neues Gebiet der Verwaltungstätigkeit, die Zwangs-
erziehung [Minderjähriger] ausgebildet.
=
1. Die Regelung der Prostitution '.
g 7ı.
Das Reichsstrafgesetzbuch bedroht Weibspersonen, welche wegen
gewerbsmäßiger Unzucht einer polizeilichen Aufsicht unterstellt sind
und den zur Sicherung der Gesundheit, der öffentlichen Ordnung
und des öffentlichen Anstandes erlassenen polizeilichen Vorschriften
zuwiderhandeln, oder welche, ohne einer solchen Aufsicht unterstellt
zu sein, gewerbsmäßig Unzucht treiben, mit Haftstrafe?. Durch das
Urteil kann gleichzeitig bestimmt werden, daß die verurteilte Person
nach verbüßter Strafe der Landespolizeibehörde zu überweisen sei.
Diese enthält dadurch die Befugnis, dieselbe entweder bis zu zwei
quält oder roh mißhandelt.“ Vgl. hierzu v. Hippel, Die Tierquälerei.
Strafrechtsvergleichung Bes.T. 2, 241, insbesondere die Ausführungen über die
landesrechtlichen Bestimmungen auch über das Schlachten und den Transport
von Tieren, über die Benutzung von Hunden als Lasttiere, über zu schwere
Sans der Fuhrwerke u.s.w. 5. 247, über die Vivisektion und das Schächten
. .„?[A.M.: Otto Mayer, V.R.W. 2, 455: Die Anstalten und Einrichtungen,
die dazu bestimmt sind, die öffentliche Sittlichkeit durch Unschädlichmachung
und Besserung sittengefährlicher Menscheng zu fördern, gehören nicht in das
Gebiet der Sittenpolizei.]
ı [Renk, Art. Prostitution. H.W.B.? 6, 257.]
® (Der Konkubinat ist nur dann in einigen Bundesstaaten nach Landesrecht
strafbar, wenn er öffentliches Ärgernis erregt. vgl. Mittermaier, Straf-
rechtsvergleichung Bes T. 4, $ 30; v. Liszt $ 108 *u.5;v.Schicker, Württem-
erg. Polizeistrafgesetzbuch $ 142; die Trennung ist reine Polizeimaßregel
(Beling, Württ. Strafgesetzgebung 1903 $ 14”).]