Full text: Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechtes.

Sittenpolizei. $ 74. 187 
veranlaßt worden sind, haben auch dazu geführt, für die Inhaber- 
papiere mit Prämien Verkehrsbeschränkungen aufzustellen. Diese 
Beschränkungen sind durch die Gesetzgebung des Deutschen Reiches . 
festgestellt worden !°. Danach ist die Ausgabe von Inhaberpapieren 
mit Prämien nur auf Grund einer Ermächtigung durch Reichsgesetz 
zulässig. Diese Ermächtigung soll lediglich zum Zweck der Anleihe 
eines Bundesstaates oder des Reiches erteilt werden!!. Letztere Be- 
. stimmung hat jedoch keinerlei rechtliche Bedeutung, da die Reichs- 
gesetzgebung stets in der Lage ist, sich selbst von der fraglichen 
Vorschrift zu dispensieren und unter Abänderung des Gesetzes vom 
8. Juni 1871 eine Prämienanleihe auch zu anderen Zwecken zu ge- 
statten. Der Verkehr mit Inhaberpapieren, welche entgegen den 
Bestimmungen des Gesetzes ausgegeben sind, ist strafbar!?. Ge- 
stattet ist dagegen: 1. Der Verkehr mit inländischen Inhaberpapieren 
mit Prämien, welche vor der Verkündigung des Reichsgesetzes aus- 
gegeben sind, 2. der Verkehr mit ausländischen Inhaberpapieren mit 
Prämien, welche vor dem 1. Mai 1871 ausgegeben und in der reichs- 
gesetzlich vorgeschriebenen Weise abgestempelt sind!. Die Ab- 
stempelung ist eine öffentliche Beurkundung, durch welche bezeugt 
wird, daß sich das Papier im Momente der Abstempelung bereits im 
inländischen Verkehr befand. 
4. Zwangserziehung [Minderjähriger]'. 
8 74. 
[Die Zwangserziehung Minderjähriger ist unbeschadet der Vor- 
schriften der $$ 55, 56 des Reichsstrafgesetzbuchs? nur zulässig, 
wenn sie von dem Vormundschaftsgericht angeordnet wird, und zwar 
außer in den Fällen der $8$ 1666, 1838 des Bürgerlichen Gesetz- 
  
  
1° R.G. betr. die Inhaberpapiere mit Prämien, vom 8. Juni 1871. Bek. d, 
Bundesr. vom 19. Juni, 1. Juli, 10. Juli und 4. Dezember 1871. — In Elsaß- 
Lothringen eingeführt durch G. vom 27. Januar 1872. Dazu Bek. d. Bundesr. 
vom 80. Januar 1872. " 
URG.$S1. 
12 R.G. 88 2, 6. 
I RG. 88 3—5. 
ı Münsterberg, Art. Zwangserziehung, V.R.W, 2, 1003. Ergb. 8, 946; 
[Loening, Art. Zwangserziehung, H.W.B.? 7, 1059; Loenin 8, Die Zwangs- 
erziehung Minderjähriger nach den deutschen Reichs- und Landesgesetzen. 
Jahrb. f. Nat. 1901, Ir F.2%2, 1; Heinze, Zwangserziehung nach Reichs- und 
Landesrecht, 1906; Landsberg, Das Recht der Zwangs- und ürsorgeerziehung, 
%08; Endemann, Lehrbuch des bürgerlichen Rechts, 2, II, 1908 $ 198a mit 
privat- und verwaltungsrechtlichen Literaturangaben; v. Lilienthal, Straf- 
rechtsvergl. Allg. Teil 5, 106, und v. Liszt, Strafr. $ 15* mit strafrechtlichen 
Literaturangaben.] . 
® [Nach R.Str.G.B. $ 55 in der Fassung des Art. 34, II E.G. z. B.G.B,, 
wenn bei Begehung der Handlung das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet 
war, nach $ 56, wenn das 12., aber noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet 
war, und bei Begehung der Handlung die zur Erkenntnis ihrer Strafbarkeit 
erforderliche Einsicht fehlte.)
	        
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