Full text: Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechtes.

[Medizinal- und Veterinärpolizei.] $ 77. 193 
Die Befugnis, Impfungen vorzunehmen, steht nur Ärzten, 
d. h. solchen Personen zu, welche nach $ 20 der R.Gew.O. die Be- 
fugnis haben, sich als Arzte zu bezeichnen!‘ In den einzelnen 
Bundesstaaten sind Impfbezirke einzurichten, von denen jeder ejnem 
Impfarzt unterstellt wird. Der Impfarzt wird vom Staate oder einem 
Kommunalverbande angestellt und remuneriert; er hat die Ver- 
pflichtung, an bestimmten Orten und Tagen unentgeltlich Impfungen 
vorzunehmen !!. Die Landesregierungen haben Impfinstitute zur Be- 
schaffung der Schutzpockenlymphe einzurichten 2. Die Ärzte, sowohl 
die Impfärzte als die übrigen impfenden Ärzte sind jedoch nicht ge- 
hindert, anderweitig beschaffte Lymphe zu verwenden. Den Eltern, 
Pflegeeltern und Vormündern geimpfter Kinder kann durch polizei- 
liche Anordnung die Pflicht auferlegt werden, die Entnahme von 
letzteren zu gestatten !8. 
Die Verwaltungsbehörden haben das Recht und die Pflicht, über 
die Erfüllung der durch das Reichsgesetz den Einzelnen auferlegten 
Pflichten zu wachen. Zu diesem Zwecke sind folgende Maßregeln 
der amtlichen Kontrolle angeordnet: 1. die Impflisten, d.h. 
Listen der impfpflichtigen Personen. Die Listen über die der ersten 
Vaccination unterliegenden Kinder sind von der zuständigen Behörde, 
in der Regel der Gemeindebehörde, die Listen über die der Revacci- 
nation unterliegenden Zöglinge von Lehranstalten von den Vorstehern 
dieser Lehranstalten aufzustellen. In den Listen haben die Impfärzte 
Vermerkungen über Vornahme und Erfolg der Impfungen einzutragen. 
  
nisse bei Reger 1, 190, 8, 190, 7, 91, 92, 463, 9, 109, 18, 191; für die Zulässig- 
keit administrativer Exekution v. Sarwey, alig. Verw.R,, S. 122. Im Gegen- 
satz dazu erklärt ein Erkenntnis des O.L.G. Frankfurt a. M. (bei Reger Ereb. 
1, 354) sowohl wiederholte Bestrafung als administrative Exekution und Jol y 
a. a. O. wenigstens letztere für unzulässig. Die Unanwendbarkeit der adminı- 
strativen Vollstreckung wird deshalb behauptet, weil ein dieselbe festsetzender 
aragraph der Regierun svorlage des Beichsimpfgesetzes vom Reichstag ge- 
strichen sei. Aber die Verhandlungen in den Reichstagssitzungen vom 9. u. 
14. März 1874 (Sten. Ber. 1, 255 u. 341) ergeben, daß der Reichstag nur die in 
der Regierungsvorlage vorgesehenen Zwangsimpfungen Erwachsener bei, Epi- 
emien, dagegen nicht die zwangsweisen Impfungen von Kindern beseitigen 
Wollte. Die Unzulässigkeit mehrfacher Bestrafung sucht das erwähnte Er- 
kenntnis des Oberlandesgerichtes Frankfurt durch die Behanptung darzutun, 
daß dieselbe nach der Re ierungsvorlage wegen des administrativen Zwanges 
überflüssig gewesen und daher nicht in Aussicht genommen, vom Reichstag 
aber bei Beseitigung der Verwaltungsvollstreckung nicht eingeführt sei. Diese 
Oraussetzung ist unzutreffend, da beide Zwangsmittel, wiederholte Bestrafung 
und administrative Exekution, sehr wohl nebeneinander bestehen können. In 
einem neueren Erkenntnis (bei Reger 11, 426) bat das Oberlandesgericht zu 
Frankfurt die wiederholte Bestrafung für zulässig erklärt, an der nzulässig- 
keit der administrativen Ezekution dagegen festgehalten. 
10 RG. 88 8 u. 16. 
N RILG.S 6. 
 R1LG.$ 9. , . 
1? A, A, ein Erkenntnis des Obertribunale in Hartmanns Zeitschrift 3, 
490; v. Roenne, preuß. Staater. 4, 2744; v. Sarwey a. a. 0. 8. 122; Born- 
hak, preuß, Staater. 8, 194, unter Berufung darauf, daß eine derartige Befugnis 
den Polizeibehörden durch das R.I.G. nicht eingeräumt sei. Die Befugnis be- 
steht aber schon als ein Ausfluß der allgemeinen polizeilichen Verordnungs- 
und Zwangsgewalt, eine besondere Einräumung derselben in dem Gesetze war 
daher nicht erforderlich. 
Meyer-Dochow, Deutsches Verwaltungsrecht. 2. Aufl. 13
	        
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