. I. Schulen. $ 85. 217
und Aufsichtsrecht schließt auch die Befugnis, den Religionsunterricht
zu leiten und zu beaufsichtigen ein. Daneben ist jedoch auch den
Religionsgemeinschaften das Recht zu einer Aufsicht über den
Religionsunterricht ihrer Konfession und in einzelnen Ländern sogar
ein Recht der Leitung desselben eingeräumt !®.
2. Als die Landesherren anfingen, das Schulwesen zu einem
Gegenstande ihrer Verwaltung zu machen, suchten sie den öffentlichen
Schulen dadurch eine größere Lebensfähigkeit zu sichern, daß sie die
Privatschulen völlig verboten. Namentlich wurde die Errichtung
von sog. Winkelschulen auf dem Lande untersagt. Von diesen Grund-
sätzen ist die neuere Gesetzgebung abgegangen. Wenn sie es auch
als eine Aufgabe des Staates betrachtet, öffentliche Unterrichtsanstalten
zu errichten, ' so schließt sie doch die private Tätigkeit auf diesem
Gebiete nicht aus. Die Privatschulen bedürfen aber einer staatlichen
Genehmigung, und diese wird nur solchen Personen erteilt, welche
die erforderliche Befähigung und ihre sittliche Würdigkeit nachweisen.
Die Privatschulen stehen ebenso wie die öffentlichen Schulen unter
staatlicher Aufsicht. Zu den Privatschulen gehören auch die von
einzelnen Religionsgesellschaften errichteten konfessionellen Schulen ?",
Ebenso steht es jedermann frei, seinen Kindern neben dem Schul-
unterricht oder an Stelle desselben Privatunterricht erteilen zu
lassen. Doch bedürfen Personen, welche aus der Erteilung eines
derartigen Unterrichts ein Gewerbe machen wollen oder deren Unter-
richt den in der Volksschule vertreten soll, dazu einer besonderen
staatlichen Erlaubnis, oder sie müssen wenigstens eine der staatlichen
Prüfungen bestanden haben, durch welche die Befähigung zur Über-
nahme eines Lehramtes erworben wird.
3. Die obere Leitung des Schulwesens liegt in den Händen
der Ministerien. In den größeren Staaten bestehen eigene Ministerien,
die Kirchen- und Schulangelegenheiten verwalten, in den kleineren
wenigstens besondere Abteilungen für diese Gegenstände!?. In den
kleineren Staaten sind die höheren Lehranstalten und die Aufsichts-
beamten über die Volksschulen dem Ministerium unmittelbar unter-
geordnet, in den größeren besteht dazwischen die Instanz der Pro-
vinzialbehörden 8.
wo der Religionsunterricht in der Volksschule vom Geistlichen unter Zuziehung
der Schullehrer erteilt wird und in Baden, wo die Religionsgemeinschaften das
echt der Leitung und Besorgung des Religionsunterrichtes haben.
10 Hinschius, Kirchenrecht 4, 603; Art. Religionsunterricht V.R,W. 2, 380.
. In Baden ist kirchlichen Korporationen und Stiftungen die Errichtung
einer Lehr- und Erziehungsanstalt nur auf Grund eines besonderen Gesetzes
gestattet (Elem.Unt.G. $ 116.), [vgl. Walz, bad. Staater. S. 454; Friedberg,
irchenr.® $ 163 G. 543.
12 Vgl. Meyer-Anschütz x 108°,
1 In Preußen steht die obere Leitung des Schulwesens dem Minister
der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten zu. Als Provinzial-
organe fungieren die Provinzialschulkollegien, in welchen der Oberpräsident
den Vorsitz führt (Dienstinstruktion für die Provinzialkonsistorien vom 29. Okt.
1817 8 6. Kab.Ordre, betr. eine Abänderung in der bisherigen Organisation der