l. Schulen. $ 86. 219
gewähren !. Sie besteht, je nachdem die Zahl der Schüler geringer
oder größer ist, entweder aus einer oder aus mehreren Klassen.
Die mehrklassigen Volksschulen in den Städten, die neben den
gewöhnlichen Unterrichtsgegenständen der Volksschulen noch weitere
in ihren Lehrplan aufnehmen, werden als Bürgerschulen be-
zeichnet.
Der oberste Grundsatz des deutschen Volksschulrechtes ist der
Grundsatz des Schulzwanges oder der Schulpflicht. Die
Unterweisung der heranwachsenden Jugend in den notwendigsten
allgemeinen Kenntnissen soll nicht vom Belieben der Erzieher ab-
hängen. Diejenigen Personen, denen die Erziehung der Kinder
obliegt (Eltern, Pflegeeltern, Vormünder), sind verpflichtet, die-
selben in die Schule zu schicken oder durch privaten Unterricht für
ihre Bildung Sorge zu tragen. Die Schulpflicht beginnt mit dem
Anfange und hört auf mit der Beendigung des Schuljahrs (Semesters),
in welchem das Kind ein bestimmtes Lebensjahr vollendet hat?.
Nur aus Gesundheitsrücksichten ist ein Aufschub des Schulbeginnes
zulässig. Anderseits darf ein Kind über den gesetzlichen Endtermin
hinaus zurückbehalten werden, wenn es den notwendigen Grad all-
gemeiner Bildung noch nicht erreicht hat. Eltern und andere mit
der Erziehung von Kindern betraute Personen, welche der Pflicht,
für den Schulbesuch derselben zu sorgen, nicht nachkommen, unter-
liegen einer Bestrafung. Bei wiederholter Weigerung können die
Kinder zwangsweise zur Schule gebracht und äußerstenfalls kann
den Eltern das Erziehungsrecht genommen werden.
Die Durchführung der Schulpflicht ist aber nur dann möglich,
wenn in allen Teilen des Staates gehörig eingerichtete Lehranstalten
bestehen. Der Grundsatz der Schulpflicht führt daher mit Notwendig-
keit zu einer Regelung der Schullast. Schullast ist die Verpflichtung,
für die Herstellung und Einrichtung der Volksschulen Sorge zu tragen.
Sie umfaßt die Sorge für die Schulgebäude, die Lehrerwohnungen,
das Schulinventar und die Lehrerbesoldungen. Sie liegt nicht dem
Staate, sondern den kommunalen Verbänden ob. In bezug auf die
t (Dies kommt in den einleitenden Paragraphen mehrerer Volksschulgesetze
zum Ausdruck.]
®2 Nach dem preuß. A.L.R. Teil Il, Tit 12, 3 43—46 beginnt die Schul-
pflieht mit dem vollendeten 5 Jahre und dauert so lange, bis das Kind nach
em Befunde des Seelsorgers die notwendigen allgemeinen Kenntnisse erlangt
hat. Diese Vorschriften sind durch Kab.Ordre vom 14. Mai 1825 auch auf die-
Inigen Gebietsteile des damaligen Staates ausgedehnt worden, in welchen das
A.L.R. keine Geltung hat. Übrigens weichen die provinzialrechtlichen Be-
stimmungen vielfach vom Landrecht ab, lassen den Beginn der Schulpflicht
später eintreten und erstrecken die Dauer derselben nur bis zur Erreichung
eines bestimmten Lebensjahres. Die Gesetzgebung der neuen Provinzen, sowie
er übrigen deutschen Staaten hat meist bestimmte Anfangs- und Schlußtermine
der Schulpflicht und zwar läßt sie in der Regel den Beginn mit dem vollendeten
6., die Beendigung mit dem vollendeten 14. ebensjahre eintreten. |In Bayern
dauert die Schulpflicht vom vollendeten 6. Lebensjahre an 10 Jahre, davon sind
Tin der Werktagsschule und 3 in der Sonntags- oder Fortbildungsschule zu
verbringen. Die Gemeinden können auch noch eine achte Werktagsschulklasse
einrichten. (V. vom 4. Juni 1908.)]