Verwaltung wirtschaftlicher Angelegenheiten. $ 9. 235
Wirtschaftsformen können bisherige Verwaltungstätigkeiten ihre Be-
deutung verlieren.
Bei der wirtschaftlichen Verwaltung sind das Reich und die
Einzelstaaten beteiligt. In den letzteren bestehen für gewisse
Zweige der wirtschaftlichen Verwaltung besondere Ministerien, so
z. B. das Ministerium für Landwirtschaft, für Gewerbe und Handel,
für öffentliche Arbeiten. Auch in den mittleren und niederen In-
stanzen existiert eine besondere Behördenorganisation für einzelne
Wirtschaftsangelegenheiten, so z. B. Generalkommissionen und Spezial-
kommissionen für Ablösungen, Separationen u.s.w., Forstbehörden,
Bergbehörden, Eisenbahnbehörden. Unter den höheren Reichsämtern
sind als Spezialbehörden für wirtschaftliche Angelegenheiten das
Reichspostamt, das Reichseisenbahnamt, das Reichsamt für die Ver-
waltung der Reichseisenbahnen und die Reichsbankbehörden zu nennen.
Eine in die einzelnen Teile des Reiches hinein verzweigte Behörden-
organisation besteht für die Reichspost und Telegraphie sowie für
die Reichsbank.
Für die Begutachtung wirtschaftlicher Fragen und die Bericht-
erstattung über wirtschaftliche Verhältnisse bestehen kollegialisch
organisierte Vertretungen der einzelnen wirtschaftlichen
Interessengruppen!. Sie sind zum Teil freie Vereinigungen
von Angehörigen der betreffenden Interessenkreise, die sich zur
Förderung der gemeinschaftlichen Interessen gebildet haben und von
der Regierung für die angegebenen Aufgaben benutzt werden. Zum
Teil beruht ihre Organisation auf gesetzlichen Vorschriften und sie
sind speziell zu dem Zwecke errichtet worden, als Ratgeber der
Regierungen in wirtschaftlichen Angelegenheiten zu fungieren.
Auf dem Gebiete der Landwirtschaft [überwog bis zur Er-
richtung von Landwirtschaftskammern] ? das freie Vereinswesen. Als
begutachtender und berichterstattender Organe in den einzelnen Teilen
des Landes bedient sich die Regierung der |Landwirtschaftskammern
und] landwirtschaftlichen Vereine®. Als Zentralorgane der Vereine
fungiert ein Kollegium, das sich aus den von diesen Vereinen und
gewissen Gruppen der landwirtschaftlichen Bevölkerung gewählten
und anderen von der Regierung ernannten Personen zusammensetzt*,
tv. Kaufmann, Die Vertretung der wirtschaftlichen Interessen in den
Staaten Europas 1879: |Schäffle, Das Problem der Wirtschaftskammern.
Tübg. Zeitschr. Bd. 51]. ,
aan [Nach preußischem Vorbild (G. vom 30. Juni 1894: vgl. v. Roenne-Zorn
-, 481) haben verschiedene Staaten Landwirtschaftskammern zur Wahrung der
Gesamtinteressen der Land- und Forstwirtschaft ihres Bezirkes errichtet, da-
unter Oldenburg, Anhalt, Baden (G. vom 28. Sept. 1906. Die Landwirtschafts-
ammer trat hier an Stelle des 1891 errichteten Landwirtschaftserats. Vgl. Walz,
bad. Staatsr. S. 394). Die Errichtung von Landwirtschaftskammern führt viel-
fach zu einer Vereinigung der Zentralvereine mit den Kammern. Vgl. Thiel,
Art. Landwirtschaftskammern H.W.B.?, 5, 521; Art. Landwirtschaftskammern
pr. Handwb. 2, 32.]
® Vgl. Paasche, Art. Landwirtschaftliches Vereinswesen V.R.W. 1, 38;
lv. Mendel-Steinfels, Art. Landwirtschaftliches Vereinswesen H.W.B.?
® 515: Art. landwirtschaftliche Vereine pr. Handwb;: ?, 29].
4 So z. B. das Landesökonomiekollegium in Preußen (v. Roenne-Zorn