Full text: Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechtes.

936 Zweites Buch. Sechster Abschnitt. $ 9. 
kommen entweder getrennt als Handelskammern und Gewerbekammern 
oder vereinigt als Handels- und Gewerbekammern, im letzteren Falle 
häufig unter der bloßen Bezeichnung Handelskammern, vor. Ihre 
Bildung erfolgt durch Wahlen der Handels- und größeren Gewerbe- 
treibenden des betreffenden Bezirkes; die Kosten werden von den 
Wahlberechtigten getragen. Sie haben den Regierungen periodische 
Berichte über den Stand des Handels und der Industrie ihres Be- 
zirkes zu erstatten und führen die Aufsicht über gewisse zur Förderung 
des Handels und Verkehrs bestimmte Anstalten (Börsen u. dgl.). 
Ihr Charakter ist nicht der von Staatsbehörden, sondern der von 
beratenden repräsentativen Körperschaften. Als staatliche Organe 
unterliegen sie zwar einer Einwirkung der Regierung, diese darf sich 
aber nur auf den Umfang und die Formen ihrer Geschäftsführung 
erstrecken. Ein Einfluß auf den materiellen Inhalt der Berichte steht 
der Regierung nicht zu. Ein Recht der Auflösung würde. die 
Regierung nur dann in Anspruch nehmen können, wenn es ihr durch 
eine ausdrückliche gesetzliche Vorschrift eingeräumt wäre. Insbesondere 
kann aus dem Umstande, daß zur Errichtung einer Handelskammer 
die Genehmigung der Regierung erforderlich ist, eine solche Befugnis 
nicht hergeleitet werden. ' 
[Zur Vertretung der Interessen des Handwerks bestehen 
Handwerkskammern® und Gewerbekammern’”). 
Vertretungen des Arbeiterstandes bestehen bis jetzt nicht®. 
Als ein Zentralorgan für die Vertretung aller wirtschaftlichen 
Interessen, iusbesondere für Begutachtung von Gesetzen und Ver- 
ordnungen, durch die wichtigere derartige Interessen berührt werden, 
ist in Preußen nach französischem Muster ein sogenannter Volks- 
wirtschaftsrat?® gebildete worden. Derselbe zerfällt in drei 
Sektionen: des Handels, des Gewerbes, der Land- und Forstwirt- 
9, 481; Paasche, Art. Landesökonomiekollegium V.R.W. 1, 17), der Landes- 
kulturrat in Sachsen. 
5 Für Streitigkeiten, welche sich auf das Recht der Teilnahme an der 
Handelskammer, oder an den Wahlen zu derselben, sowie auf die Verpflichtung 
zu den Kosten derselben beizutragen beziehen, findet in Preußen und Baden 
das Verwaltungsstreitverfahren Anwendung (Preuß. 2.G. $ 134, [abg_ durch G. 
über die Handelskammern vom 27. Febr. 1870 in der Fass. vom 22. Juni 1897], 
85 136—138. Bad. G. vom 14. Juni 1884 Art. 3, Nr. 22, 24.) 
® (Vgl. Gew.O. 3$ 108, 104. Mehrere Bundesstaaten haben gemeinsame 
Handwerkskammern erriehtet. — Näheres über Innungsverbände und Handwerks- 
kammern im Gewerberecht.] 
? [In Sachsen (G. vom 4. Aug. 1900) sind die Gewerbekammern mit einer 
Ausnahme (Zittau) von den Handelskammern getrennt und ihnen auf Grund der 
Gew.O. $ 108q die Wahrnehmung der Rechte und Pflichten der Handwerks- 
kammern übertragen. Ebenso wurden in den Hansestädten die Gewerbekammern 
beibehalten. Über die Stellung der hanseatischen Gewerbekammern innerhalb 
der Behördenorganisation vgl. Hampke, H.W.B.: 4, 501;] Nagel, Schmollers 
Jahrb. 7, 189. 
® [Geplant ist die Errichtung von Arbeitskammern. Über den Entwurf 
eines Arbeitskammergesetzes vgl. Piloty, D.J.Z. 14, 225; Arch. f. öffentl. R. 
, 
  
°Y. betr. die Errichtung eines Volkswirtschaftsrates vom 17. Nov. 1880. 
eh Art. Volkswirtschaftsrat V.R.W. 2, 832; [v. Roenne-Zorn 
, .
	        
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