Full text: Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechtes.

256 Zweites Buch. Sechster Abschnitt. $ 99. 
Deiche wird eine Genehmigung der Regierung. erfordert*. Letztere 
hat auch das Recht, den Besitzer eines solchen Deiches, bei Zer- 
störung desselben, zur Wiederherstellung nötigenfalls zwangsweise 
anzuhalten 5. 
Regelmäßig liegt. jedoch die Errichtung der Deiche den Deich- 
genossenschaften oder Deichverbänden® ob. Diese sind 
öffentlich rechtliche Korporationen. Sie werden zwangsweise, auch 
gegen den Willen der Beteiligten, durch Verwaltungsanordnung ge- 
bildet und besitzen ihren Mitgliedern gegenüber obrigkeitliche Be- 
fugnisse. 
Als Organe der Deichverbände fungieren die Versammlung 
der Deichgenossen, ein Ausschuß dieser Versammlung (der sog. Deich- 
ausschuß oder das Deichamt), der Vorsteher des Deichverbandes 
(Deichgraf, Deichhauptmann) und die Deichgeschworenen oder Deich- 
schöffen, welchen die Aufsicht über die einzelnen Strecken der Deiche 
obliegt. 
Pie Deichlast, d. h. die Verpflichtung zur Unterhaltung der 
Deiche, ruht auf den unter dem Schutze der Deiche liegenden Grund- 
stücken. Verpflichtete Subjekte sind die jeweiligen Eigentümer der- 
selben oder die Personen, denen dingliche Nutzungsrechte daran zu- 
stehen. Das ältere System der Verteilung dieser Last war das der 
sog. Pfanddeichung, d.h. jedem Genossen wurde ein bestimmter 
Teil des Deiches, ein sog. Pfand, zur Unterhaltung zugewiesen. 
Dieses kommt jetzt nur noch sehr vereinzelt vor. Die regelmäßige 
Form ist die dr Kommuniondeichung. Nach dieser wird die 
gesamte Deichlast von allen Genossen gemeinsam getragen, die Deiche 
auf Kosten des Deichverbandes hergestellt und von den einzelnen 
Mitgliedern entsprechende Geldbeiträge erhoben. Ein vermittelndes 
System ist das der Deichung nach Schlägen oder Zügen, 
d.h. die Verteilung der Deichlast unter die Genossen nach Bezirken. 
Die Verteilung der Last geschieht mit Rücksicht auf Umfang 
und Beschaffenheit der zu schützenden Ländereien. Zur Aufzeichnung 
der deichpflichtigen Grundstücke und der auf denselben rahenden 
Lasten dienen sog. Deichrollen oder Deichkataster ?. 
Die Deichlast hatte früher den Charakter einer korporativen 
Verbindlichkeit. Die Versäumnis der Deichpflicht bewirkte den 
Verlust des Landes („wer nicht kann deichen, der muß weichen‘). 
Jeder Grundeigentümer hatte aber das Recht, durch Einstecken eines 
Spatens sein Land aufzugeben und sich dadurch der Deichlast zu 
entziehen, das aufgegebene Land konnte von jedermann gegen Über- 
nahme der Deichpflicht okkupiert werden (sog. Spatenrecht). Durch 
die neueren Gesetze ist das Spatenrecht beseitigt. Die Deichlast hat, 
* Preuß. D.G. 3$ 1—3. G. vom 11. April 1872 Art. 1. 
» Preuß. D.G. $$ 4-10. 
® Preuß. D.G. & 11-15. G. vom 11. April 1872 Art. 1. In Hessen liegt 
die Sorge für die Deiche grundsätzlich den Gemeinden unter Beihilfe des Staates 
ob (G. vom 14. Juni 1887 Art. 5); gereicht eine Deichanlage mehreren Gemeinden 
zum Vorteil, so werden diese zu einem Deichverbande vereinigt (Art. 18—81.) 
’ Preuß. D.G. $$ 16-18.
	        
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