Full text: Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechtes.

964 Zweites Buch, Sechster Absehnitt. $& 102. 
satz, daß auf natürlichen Wassefstraßen Abgaben nur für die Be- 
nutzung besonderer, zur Erleichterung des Verkehrs bestimmter An- 
stalten erhoben werden dürfen. Derselbe ist: 1. schon durch die 
Reichsverfassung auf alle schiffbaren Wasserstrecken®, 
2. durch ein besonderes Reichsgesetz auch auf die nur flößbaren 
Strecken solcher Wasserstraßen, welche mehreren Bundes- 
staaten gemeinsam sind’, ausgedehnt worden. Der Termin des 
Inkrafttretens der letzteren Bestimmung ist für die einzelnen Flüsse 
durch kaiserliche Verordnung bestimmt worden®. Für die Auf- 
hebung der Abgaben auf den nur flößbaren Strecken war eine aus 
der Reichskasse zu zahlende Entschädigung zugesagt, wenn: 1. das 
Recht zur Erhebung der Abgabe auf einem lästigen Privatrechtstitel 
beruhte und 2. nicht einem Bundesstaate zustand. Die Entschädigung 
bestand in dem achtzehnfachen Betrage des durchschnittlichen Rein- 
ertrages der Abgabe aus den Jahren 1867, 1869, bzw. den letzten 
drei Jahren vor Aufhebung der Abgabe. Der Anspruch mußte 
innerhalb einer bestimmten Frist angemeldet und konnte eventuell 
im Rechtswege geltend gemacht werden?. Die Aufhebung bezieht 
sich nicht auf Abgaben, welche als Entschädigungen an Besitzer von 
Wasserwerken gezahlt werden. Es sind jedoch derartige Abgaben 
bei neuangelegten Mühlen und nicht mehr vorhandenen Wehren aus- 
geschlossen. Auch diejenigen Abgaben, deren Erhebung fortdauert, 
dürfen nur: 1. in Geld, 2. nach Tarifen, welche von der Landes- 
regierung festgestellt sind, und 3. in einem Betrage, welcher das 
Maß einer billigen Entschädigung für geleistete Dienste, Beschädigung 
der Wehre und gehinderten Betrieb nicht überschreitet, keinenfalls 
aber in einem höheren Betrage als vor Erlaß des Gesetzes erhoben 
werden !°. 
Auf die flößbaren Straßen derjenigen Gewässer, die nur 
das Gebiet eines einzigen Staates berühren, erstreckt sich die 
Kompetenz der Reichsgesetzgebung nicht!!; für die auf diesen zu 
erhebenden Abgaben bleiben lediglich die Vorschriften der Landes- 
gesetzgebung maßgebend. 
Die Ausübung der Flößerei mit verbundenen Hölzern ist durch 
landesrechtliche Vorschriften für die einzelnen Flüsse polizei- 
lichen Beschränkungen unterworfen. Diese beziehen sich auf 
die Beschaffenheit der Flöße, auf das Verhalten der Flößer während 
der Fahrt und beim Anlanden, auf Anfang und Ende der Floßzeit 
und andere mit Flößerei zusammenhängende Angelegenheiten . 
  
® R.Verf. Art. 54. 
? @.G. über die Abgaben von der Flößerei vom 1. Juni 1870. kingeführt. 
in Baden und Südhessen durch Art. 80 der Verf. vom 15. November 1870, in 
Württemberg durch Art. 2 des Vertr. vom 25. November 1870, in Bayern durch 
G. vom 22. April 1871 $ 8. 
® Derartige Verordnungen sind erlassen für die Saale und Werra (1. Juni 
1870), für den Neckar (19. Februar 1871), für Enz und Nagold (13. Februar 1874). 
® R.G. vom 1. Juni 1870 $ 2. R.G. vom 22. April 1871 $ 8. 
10 RG. vom 1. Juni 1870 8 3. 
ıı R,Verf. Art. 4, Nr. 9, 
ıs (Über die dem öffentlichen Verkehrsrecht angehörigen Bestimmungen des 
R.G. über die privatrechtlichen Verhältnisse der Flößerei vom 15. Juli 1895 vgl. 
Stoerk-Loening, H.W.B.? 4, 371 
 
	        
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