IV. Eisenbahn, Post, Telegraphie. & 106. 281
Eisenbahnen eingeräumt®. Später erfolgte die Errichtung einer be-
sonderen obersten Reichsbehörde für das Eisenbahnwesen, des Reichs-
eisenbahnamtes?. Trotzdem gelang es nicht, die erforderliche Einheit-
lichkeit im deutschen Eisenbahnwesen herzustellen, weil die Be-
strebungen, ein Reichseisenbahngesetz zustande zu bringen, namentlich
an dem Widerstande der Staatsbahnverwaltungen scheiterten. Auch
das Projekt, den preußischen Staatsbahnbesitz und die dem preußischen
Staate zustehenden Rechte über die Privateisenbahnen auf das Reich
zu übertragen®, konnte gegenüber der Abneigung der Mittelstaaten
nicht durchgesetzt werden.
Dagegen hat in neuerer Zeit eine sehr wesentliche Aus-
breitung des Systems der Staatsbahnen stattgefunden.
Insbesondere ist die preußische Regierung, deren Staatsbahnbesitz
durch: die Erwerbung der neuen Provinzen beträchtlich vermehrt
worden war, nach dem Scheitern der vorher erwähnten Pläne mit
Erfolg bestrebt gewesen, die Verhältnisse ihrer eigenen Bahnen durch
Erwerb der wichtigeren Privatbahnen zu konsolidieren. Auch in
Sachsen und Bayern hat eine weitere Konsolidation des Staatsbahn-
besitzes stattgefunden. In Mecklenburg ist gleichfalls eine Verstaat-
lichung der Bahnen eingetreten.
Das Deutsche Reich hat infolge der Bestimmungen des
Frankfurter Friedens die früher der französischen Ostbahn gehörenden
Eisenbahnen in Elsaß-Lothringen erworben®. Die Bahnen sind
Eigentum des Reiches, nicht des Reichslandes geworden; ihr Betrieb
ist ein Gegenstand der Reichs-, nicht der elsaß-lotbringischen Landes-
verwaltung. Auf Grund besonderer Verträge hat das Deutsche Reich
auch die Verwaltung einiger kleineren im Reichslande belegenen
Eisenbahnen !° und der Wilhelm-Luxemburg-Eisenbahn im Groß-
herzogtum Luxemburg !! übernommen.
Nach Vollendung der großen durchgehenden Linien hat sich die
Bautätigkeit mehr den Lokal- und Nebenbahnen zugewandt,
deren Rechtsverhältnisse in einigen Staaten durch besondere Gesetze
geregelt worden sind ’?.
® R.Verf. Art. 41-47.
7 R.G., betr. die Errichtung eines Reichseisenbahnamtes, vom 27. Juni 1873.
® Preuß. G., betr. die Übertragung des Eigentums- und sonstiger Rechte
des Staates an Eisenbahnen auf das Deutsche Reich, vom 4. Juni 1876. [Die
Staatsregierung hat von der Ermächtigung, mit dem Deutschen Reiche derartige
Verträge abzuschließen, keinen Gebrauch gemacht.] .
Frankfurter Frieden vom 10. Mai 1871 Zusatzartikel 1.
10 Vgl. R.G., betr. den außerordentlichen Geldbedarf für die Reichseisen-
bahnen in Elsaß-Lothringen vom 15. Juni 1875 Nr. II.
!ı Übereinkunft wegen Übernahme der Verwaltung der Wilhelm-Luxem-
burg- Eisenbahnen durch die kaiserlich deutsche Eisenbabnverwaltung vom
11. Juni 1872, Vgl. R.G. vom 15. Juli 1872.
12 Preuß. € über Kleinbahnen und Privatanschlußbahnen vom 28. Juli
1892. Kleinbabnen sind die dem öffentlichen Verkehr dienenden Eisenbahnen,
welche wegen ihrer geringen Bedeutung für den allgemeinen Eisenbahnverkehr
dem G. vom 3. November 1838 nicht unterliegen. 06 dieses Anwendung findet,
entseheidet das Staatsministerium. Insbesondere sind Kleinbahnen solche,
welche den örtlichen Verkehr innerhalb eines Gemeindebezirkes oder benach-
arter Gemeindebezirke vermitteln und solche, welche nicht mit Lokomotiven