Full text: Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechtes.

284 /weites Buch. Sechster Abschnitt. $ 107. 
4. Vermittelnde Funktionen. Diese gewähren der Reichs- 
gewalt keinerlei Befugnis, Anordnungen oder Befehle zu erlassen, 
sondern sollen nur dazu dienen, auf dem Wege der Verständigung 
unter den einzelnen Regierungen bezw. Eisenbahnverwaltungen eine 
Einheitlichkeit der Einrichtungen herbeizuführen. Da mit diesen 
Funktionen Hoheitsrechte des Reiches nicht verbunden sind, so würde 
letzteres auch ohne verfassungsmäßige und gesetzliche Ermächtigung 
in der Lage sein, dieselben auszuüben. Die ausdrückliche Erwähnung 
in der Reichsverfassung hat nicht die Bedeutung, bestimmte Rechte 
der Reichsregierung zu begründen, sondern nur die Bedeutung, der- 
selben eine Direktive für politisches Handeln zu geben. Die ver- 
mittelnden Befugnisse des Reiches erstrecken sich auf: 
a) die Herbeiführung übereinstimmender Betriebseinrichtungen !8, 
b) die Einführung gleicher Bahnpolizeireglements '”, 
-c) die Einführung übereinstimmender Betriebsreglements, d. h. 
einer übereinstimmenden Festsetzung der Transportbedingungen '®, 
d) die Herbeiführung einer möglichsten Gleichmäßigkeit und 
Herabsetzung der Tarife 1. 
Auch die vermittelnden Funktionen finden nach den Bestimmungen 
der Reichsverfassung auf Bayern keine Anwendung. Da dieselben 
jedoch einer verfassungsmäßigen Festsetzung überhaupt nicht be- 
durften, so hat diese Vorschrift keinerlei praktische Bedeutung. Die 
Reichsregierung ist nicht gehindert, im Wege der Verständigung mit 
der bayrischen Regierung die Ausdehnung der für das übrige Reich 
bestehenden gleichartigen Einrichtungen auf Bayern herbeizuführen. 
Die dem Reiche zustehenden Verfügungs- und Aufsichtsbefugnisse 
und die vermittelnden Funktionen desselben sind jedoch in der Reichs- 
verfassung nicht voneinander geschieden. Auch die spätere Praxis 
hat dieselben nicht auseinandergehalten. Dies zeigt sich namentlich 
bei den seitens des Bundesrats für die deutschen Eisenbahnen er- 
lassenen Anordnungen. Diese Anordnungen bestanden ursprünglich 
in dem Betriebsreglement und dem Bahnpolizeireglement für die 
Eisenbahnen Deutschlands. Allmählich kamen noch anderweite Vor- 
schriften hinzu. Im Jahre 1892 ist eine vollständige Neuordnung 
eingetreten. Am 1. Januar 1893 trat an die Stelle des früheren 
Betriebsreglements die Verkehrsordnung für die Eisenbahnen Deutsch- 
lands vom 15. November 1892, erlassen vom Bundesrat auf Grund 
des Artikels 45 der Reichsverfassung?°, [Im Jahre 1899 wurde an 
1. durch dieselbe eine Vermehrung der dem Reiche zustehenden Verwaltungs- 
befugnisse nicht angeordnet werden kann, 2. die von derselben festgestellten 
Normen über Konstruktion und Ausrüstung der Eisenbahnen sich nur auf die 
für die Landesverteidigung wichtigen Bahnen erstrecken dürfen, 9. auch derartige 
Normen für Bayern nur zulässig sind, wenn sie gleichzeitig im übrigen Deutsch- 
land eingeführt werden. [Laband 3, 104.] 
l. auch Laband 8, 117. [Zorn 2, 3032®.] 
16 R.Verf. Art. 49, 
17 R.Verf. Art. 43. 
18 R.Verf. Art. 45. Vgl. Laband 8, 124. 
9 R,Verf. Art. 45. 
2 [Über die Frage, ob der Bundesrat zum Erlaß dieser Verkehrsordnung 
berechtigt war, vgl. Laband 3, 122. Auch Georg Meyer hat sie verneint.
	        
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