294 Zweites Buch. Sechster Abschnitt. $ 111.
geschränkt worden. Das Reich besitzt zwar auch für Bayern und
Württemberg das Recht der Gesetzgebung, aber die Gesetzgebung
hat sich auf die Regelung der Vorrechte der Post und Telegraphie ®,
die rechtlichen Verhältnisse beider Anstalten zum Publikum und die
Feststellung der Gebühren (Portofreiheiten, Posttaxwesen, Gebühren
für die telegraphische Korrespondenz) zu beschränken*. Außerdem
ist den betreffenden Staaten der Erlaß von reglementarischen und
Tarifbestimmungen für den internen Verkehr ausdrücklich vor-
behalten worden. Verwaltungsbefugnisse stehen dem Reiche in Bayern
und Württemberg nicht zu, beide Staaten haben ihre eigene Post-
und Telegraphenverwaltung behalten. Nur im Kriege besitzt der
Kaiser die obere Leitung des Telegraphenwesens in Württemberg,
soweit es für Kriegszwecke eingerichtet ist’. Die Beziehungen der
bayrischen und württembergischen Post- und Telegraphenverwaltung
zum Auslande werden durch das Reich geregelt. Nur für den eigenen
unmittelbaren Verkehr mit ihren dem Reiche nicht angehörenden
Nachbarstaaten ist den beiden Staaten das Recht völkerrechtlicher
Vertragsschließung belassen worden. Beim Abschluß von Verträgen
seitens des Reiches sind Vertreter der Landespostverwaltungen zu-
zuziehen, sofern diese Verträge mit den an das betreffende Landes-
postgebiet unmittelbar angrenzenden Nachbarstaaten abgeschlossen
werden®. An den in die Reichskasse fließenden Einnahmen aus
dem Post- und Telegraphenwesen haben Bayern und Württemberg
keinen Anteil; sie zahlen dafür entsprechend höhere Matrikular-
beiträge.
U. Die Organisation der Reichspostverwaltung ist
folgende. Die obere Leitung des Post- und Telegraphenwesens steht
dem Kaiser zu’. Als Organe der Zentralverwaltung fungieren der
Reichskanzler und das Reichspostamt, an dessen Spitze ein
Staatssekretär steht. Ihnen sind die Oberpostdirektionen als
Provinzialbehörden der Post- und Telegraphenverwaltung unter-
geordnet; bei diesen werden Postinspektoren und Telegraphen-
inspektoren für die unmittelbare Aufsicht über den lokalen Betrieb
angestellt. Die Geschäftsstellen für den lokalen Betrieb sind die
Postämter und Postagenturen. Die Postämter haben den
Charakter von Behörden; sie zerfallen in Postämter erster, zweiter
® R.Verf. Art. 52.
® Die besonderen Vorbehalte, welche in dieser Bezichung in Nr. 3.des
Schlußprotokolles vom 25. November 1870 gemacht sind, haben durch die spätere
Gesetzgebung ihre Erledigung gefunden. .
. raft dieser Gesetz Sbungsbefugnisse war das Reich berechtigt, im
seinem ganzen Gebiete auch für Bayern und Württemberg und ohne daß die
besondere Zustimmung dieser Staaten erfordert wurde, sowohl Postsparkassen
einzurichten (A. A.: Seydel Annalen 1885 S. 48.) als die Tätigkeit der Post-
behörden für die Zwecke der Arbeiterversicherung in Anspruch zu nehmen.
(Übereinstimmend: Haenel,1, 418, N.12. A. A.: Rosin, Recht der Arbeiter-
versicherung 1, 62. Vgl. auch die Verhandlungen in der Reichstagssitzung vom
11. April 1889, Sten. Ber. Bd. III, S. 1508 ff.).
Militärkonvention vom 21./25. November 1870 Art. 11.
6 Schlußprotokoll vom 28. November 1870 Nr. XI.
? R.Verf. Art. 50.