366 Zweites Buch. Sechster Abschnitt. $ 138.
derartige völkerrechtliche Verpflichtungen nicht bestehen, hat der
einzelne Staat die Befugnis, den Handelsverkehr zwischen seinem
Gebiete und dem anderer Staaten nach seinem Ermessen zu gestalten.
Er kann ihn frei lassen, er kann ihn aber auch ausschließen oder
von der Erfüllung bestimmter Bedingungen, namentlich von der Ent-
richtung gewisser Abgaben, abhängig machen.
Die Ausschließung des Handelsverkehrs mit einem fremden
Staate kann entweder eine allgemeine sein oder nur bestimmte
Handelsartikel betreffen. Allgemeine Verbote, d. h. solche,
durch welche jeder Handel mit einem anderen Staate verboten wird,
sind nach modernem Völkerrecht für unzulässig zu erachten. Da-
gegen steht dem einzelnen Staate die Befugnis zu, gewisse Ar-
tikel vom Handelsverkehr auszuschließen. Dies geschieht durch
den Erlaß von Ausfuhr- und Einfuhrverboten. Die Einfuhr-
verbote sind gleichzeitig auch Durchfuhrverbote, da jede Durchfuhr
eine Einfuhr involviert. Nach den im Deutschen Reiche bestehenden
Grundsätzen dürfen Ausfuhr- und Einfuhrverbote nur in bezug auf
einzelne Gegenstände und nur zeitweise in Veranlassung besonderer
Umstände erlassen werden®. Die Gründe, welche zu ihrem Erlaß Ver-
anlassung geben können, sind namentlich Kriegsgefahr, gesundheits-
polizeiliche, veterinärpolizeiliche und sicherheitspolizeiliche Rück-
sichten. Die Ausfuhr- und Einfuhrverbote charakterisieren sich als
Verordnungen, durch welche gesetzliche Vorschriften kraft gesetz-
licher Ermächtigung zeitweise suspendiert werden. Über das zum
Erlaß derselben kompetente Organ fehlt es an ausdrücklichen Vor-
schriften. Nach allgemeinen Grundsätzen würde also der Erlaß dem
Bundesrate zustehen®. Tatsächlich sind die Ausfuhr- und Einfuhr-
verbote bisher durch kaiserliche Verordnungen publiziert worden,
in deren Eingang die erfolgte Zustimmung des Bundesrates, bei
Ausfuhrverboten statt dessen auch wohl die Zustimmung der Bundes-
regierungen erwähnt wird®. Die Übertretung der Verbote begründet
den Tatbestand der Konterbande und ist mit Geldstrafe sowie mit
Konfiskation der betreffenden Gegenstände bedroht®.
Die Abgaben, welche von dem Handelsverkehr mit fremden
Staaten erhoben werden, heißen Zölle. Da die Zölle eine Einnahme
des Reiches, die Zollverwaltung also einen Teil der Reichsfinanz-
verwaltung bildet, so finden die darauf bezüglichen Rechtsgrundsätze
im Finanzrecht ihre Darstellung.
Der Schutz, welchen das Reich dem Handelsverkehr seiner
Angehörigen im Auslande durch die von ihm bestellten Konsuln
gewährt, erscheint als ein Bestandteil der auswärtigen Verwaltung-
Als solcher wird er gleichfalls an einer späteren Stelle des vorliegen-
den Werkes behandelt.
2. Binnenhandel heißt der Handel innerhalb des Gebietes
2 Vereinszollgesetz vom 1. Juli 1869 RN 1u.2. Vgl. v. Mayr, Art, Ein-
fuhr- und Ausfuhrverbote V.R.W. 2, 295; Ergbd, 1, 14; 2, 35; 8, 62.
® Vgl. Meyer-Anschütz $ 165.
+ Vereingzollgesetz vom 1. Juli 1869 $ 134.