380 Zweites Buch. Sechster Abschnitt. 33 137, 138.
I. Landwirtschaft‘.
1. Die Ordnung der Agrarverhältnisse’.
$ 137.
&) Grundlasten, insbesondere Ablösung der Reallasten.
Die Aufhebung des Lehnsverbandes, der Leibeigenschaft sowie
der grundherrlichen Gerichtsbarkeit und Polizei erfolgte im 19. Jahr-
hundert durch den Erlaß gesetzlicher Vorschriften. Auch
die aus der Leibeigenschaft hervorgegangenen persönlichen Dienste
(Zwangsgesindedienste, Jagdfronden u.s.w.), sowie die Leistungen aus
öffentlich rechtlichen Titeln sind durch Akte der Gesetzgebung be-
seitigt worden®. Ebenso ist die Verwandlung der dinglichen Nutzungs-
rechte an Bauerngütern in Eigentum durch gesetzliche Anordnungen
bewirkt worden. Bei allen diesen Veränderungen hat eine Zahlung
von Entschädigung nicht stattgefunden. Dagegen wird für die Ab-
lösung der Reallasten eine Verwaltungstätigkeit not-
wendig. Die auf diese Tätigkeit bezüglichen Rechtsvorschriften
bilden einen Bestandteil des Verwaltungsrechtes.
$ 138.
Die Ablösung! ist eine Aufhebung der Lasten gegen Ent-
schädigung, hat demnach den Charakter der Enteignung. In einigen
1 [Rosin, Polizeiverordnungsr.? S. 242, bezeichnet als „landwirtschaftliche
Polizei®* den Zweig der Polizeiverwaltung, der sich auf den Schutz und die
Förderung des landwirtschaftlichen Betriebes bezieht. Sie wird der „Landwirt-
schaftspflege“ gegenüber dadurch charakterisiert, daß sie zur Erreichung des
ibnen beiden gemeinschaftlichen Zieles in einer die persönliche Handlungsfreiheit
des Einzelnen beschränkenden Weise wirkt und sich eventuell durch Zwang
realisiert. — Unter der Überschrift: Die Regelung der Rechtsverhält-
nisse des Grundbesitzes hatte Georg eyer (rel. Verw.R.? 1, 279) die
Enteignung, die Ordnung der Agrarverhältnisse, die Genehmigung von Rechts-
eschäften über Grundbesitz und die Vermarkung der Grundstücke behandelt.
aran schloß sich das Wasserrecht und dann folgten die Urproduktionen. Bei
der Neubearbeitung sind nun folgende Änderungen vorge-
nommen: die Enteignung ist au den Schluß der allgemeinen Lehren ge-
stellt (vgl. $ 18), das Wasserrecht hinter das Wegerecht und die Aus-
führungen über die Ordnung der Agrarverhältnisse nicht un-
wesentlich gekürzt an den Anfang der Darstellung der landwirtschaftlichen
Verwaltung. Außerdem werden die Viehseuchen, getrennt von der Vieb-
zucht, im Zusammenhang mit der Medizinalpolizei pehandelt.],
. l. B.G.B. ‘ 1105 . 2. B.G.B. Art. 113—116. Es besteht keine
reichsrechtliche Regelung über: Zusammenlegung von Grundstücken, Gemein-
heitsteilung, Regulierung der Wege, Ordnung der gutsherrlichen Verhältnisse,
Ablösung, mwandelung oder Einschränkung von Dienstbarkeiten u, Reallasten.
_ ® Mit dem Jahre 1848 und den folgenden Jahren hat die deutsche Ab-
lösungsgesetzgebung ihren Abschluß erreicht. Die späteren Gesetze enthalten
nur Nachträge und unbedeutende Modifikationen. Insbesondere ist durch neuere
Gesetze die Ablösbarkeit auch auf die an Kirchen, Schulen und milde Stiftungen
zu entrichtenden Grundlasten ausgedehnt worden, welche durch frühere Be-
stimmungen vielfach ausgeschlossen war. In Preußen hat die im Jahre 1866
eingetretene Vergrößerung des Staates zu einigen gesetzlichen Vorschriften über
die Ablösungen in den neuen Provinzen Veranlassung gegeben. — [Vgl. die
Zusammenstellung der Gesetze über die Ablösung in der 2. Aufl. $ 101. An-
merkung S. 294 ff.]
! [Loening, Art. Ablösung H.W.B.® 1, 5.]