Full text: Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechtes.

Gewerbe. 3 150. 415 
2. In Durchführung des Grundsatzes der Gewerbefreiheit sind 
die Beschränkungen des Gewerbebetriebes, diein früheren 
Rechtszuständen ihre Begründung fanden, teils beseitigt, teils für 
ablösbar erklärt worden. 
Aufgehoben sind zunächst alle Beschränkungen, die mittelbar 
oder unmittelbar mit der Zunftverfassung zusammenhingen. 
Insbesondere haben aufgehört die Verbietungsrechte der Zünfte und 
kaufmännischen Korporationen, die Unterscheidung von Stadt und 
Land in bezug auf den Gewerbebetrieb, das Verbot des gleichzeitigen 
Betriebes verscliedener Gewerbe, sowie desselben Gewerbes in 
mehreren Betriebs- oder Verkaufsstätten, die Beschränkung der 
Handwerker auf den Verkauf selbstverfertigter Waren. 
Die ausschließlichen Gewerbeberechtigungen, d. h. 
die mit einem Gewerbebetrieb verbundenen Berechtigungen, andern 
den Betrieb eines Gewerbes im allgemeinen oder hinsichtlich der 
enutzung eines gewissen Betriebsmaterials, zu untersagen oder sie 
arın zu beschränken, sind ebenfalls aufgehoben®. Derartige 
erechtigungen können künftighin nicht mehr erworben werden”. 
er Landesgesetzgebung ist vorbehalten, über die für die aufgehobenen 
ausschließlichen Gewerbeberechtigungen etwa zu leistende Ent- 
schädigung Bestimmungen zu treffen®. Die staatlichen Regale 
und Monopole, die durch finanzielle Zwecke oder Gesichtspunkte 
des allgemeinen Verkehrs veranlaßt sind, insbesondere das Postregal 
und das in einzelnen Staaten bestehende Lotterieregal fallen nicht 
unter diese Vorschrift. Ausschließliche Gewerbeberechtigungen 
dürfen ferner auf dem Gebiete des Schornsteinfegergewerbes 
egründet werden, indem die Landesgesetze die Errichtung von 
ehrbezirken gestatten können. Kehrbezirke sind Bezirke, für 
welche von der Behörde Schornsteinfeger bestellt werden, denen die 
ausschließliche Befugnis, aber auch die Pflicht obliegt, innerhalb 
erselben die Schornsteine zu fegen. Wo solche Kehrbezirke be- 
von Bedeutung. Über die Anwendung des Gewerberechts auf Staats- und Ge- 
Meindebetriebe [vgl. Laband 3. 197; Landmann-Rohmer 1, 34]. 
5 Gew.V. 35 2—4. 
° Gew.O. $ 7 Nr. 1. 
7 Gew.O. $ 10. , 
. ° Gew.O. 8 7. In einem Teil der deutschen Staaten war die Aufhebung 
dieser Rechte schon früher ausgesprochen und die Entschädi ngefrage gesetz- 
ich geordnet. Die Bestimmungen dieser Gesetze sind auc nach Erlaß der 
.Gew.O. bestehen geblieben. Ih anderen Staaten ist die Aufhebung erst dureh 
die R.Gew O. erfolgt und die Landesgesetzgebung ist erst durch dieselbe zur 
elung der Entschädigungstrage veranlaßt worden. In Betracht kommen 
% B. preuß. G. vom 17. Jan. 1845 für die alten und vom I7, März 1868 für die 
neuen Provinzen, lauenb. G. vom 20. April 1874, sächs. G. vom 15. Okt. 1861, 
12. u. 13. Mai 1873, württemb. G. vom 8. Juni 1849, hess. G. vom 15. Sept. 
1851. — Die Meinung des Reichsgerichtes geht dahin, daß nach gemeinem Recht 
im Falle der Aufhebung eines wohlerworbenen Rechtes durch die Gesetzgebung 
Ohne weiteres ein privatrechtlicher Anspruch gegen den Staat auf volle Ent- 
gedigung entstehe, daß also für die Länder des gemeinen Rechtes eine landes- 
gpectz iche Regelung der Entschädigungspflicht nicht erforderlich sei (R.Ziv. 
-", l). Ein derartiger Grundsatz des gemeinen Rechtes ist aber in keiner Weise 
Nachgewiesen. 
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0.85.
	        
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