II. Rechtliche Natur der Verwaltungsakte. $ 8. 35
e) Diejenigen Akte, welche in Ausübung der der Verwaltung
zustehenden Jurisdiktionsbefugnisse erlassen wurden, welche
also nur formell als Verwaltungsakte erscheinen, materiell dagegen
den Charakter richterlicher Urteile besitzen %.
Der Vertrag ist keine Form der staatsrechtlichen Verwaltung.
So weit der Staat in Ausübung seiner Hoheitsrechte tätig wird,
tritt er dem Einzelnen nicht als gleichstehendes, sondern als über-
geordnetes Subiekt entgegen. Die Begründung der Rechtsverhält-
nisse erfolgt daher nicht durch vertragsmäßige Vereinbarung, sondern
durch einseitigen Staatsakt !s, Dagegen können auf dem Gebiete des
Verwaltungsrechtes Verträge über die Teilnahme an öffentlichen
Lasten unter den verpflichteten Subjekten, z. B. Verträge mehrerer
Gemeinden über Verpflegung eines Hilfsbedürftigen, über Unter-
haltung eines Weges, Verträge zwischen Grundeigentümern und Ge-
meinden über Abtretung von Grundstücken und Kosten der Straßen-
herstellung vorkommen. Bei solchen Verträgen handelt es sich aber
nicht um Ausübung von Hoheitsrechten, sondern um vermögensrecht-
liche Verbindlichkeiten.
Die Verwaltungsakte zerfallen in. solche, welche eine bloße
Vollziehung gesetzlicher Vorschriften sind, und solche, bei deren
Vornahme die Verwaltung nach freiem Ermessen verfährt. Zu
den ersteren gehören beispielsweise der Befehl, eine gesetzlich be-
stehende Abgabe zu zahlen, die Erteilung von Aufnahmeurkunden
an Angehörige anderer deutscher Staaten, die Patenterteilung, die
Beurkundungen der Standesbeamten, zu den letzteren der größte Teil
der polizeilichen Gebote und Verbote, viele Konzessionserteilungen,
die Verleihung von Naturalisationsurkunden an Angehörige außer-
deutscher Staaten. Für die Tätigkeit der ersteren Art ist das Gesetz
der Bestimmungsgrund, für die der letzteren bildet es lediglich
eine Schranke,
Die rechtliche Charakterisierung der Verwaltungsakte, welche dem
Text zu Grunde liegt, ist angenommen von v. Stengel Organisation $. 38.
Verw.R. S. 182 ff.; v. Kirchenheim, Einführung S. 75 ff. Etwas abweichend
ernatzik a.a. O. S. 4 ff. Derselbe unterscheidet abstrakte Anordnungen
N erordnungen) und Regelung konkreter Tatbestände. Die auf letztere bezüg-
ichen Verwaltungsakte sind 1. Urteile und zwar: a. Beurkundun en, b. Ent-
scheidungen; 2, erfügungen und zwar: a. Befehle, b. konstitutive (rechts-
schaffende, — ändernde, — vernichtende) Akte. Vgl. auch Loening a. a. O.
S. 240 ff, und Hänel, Deutsch. Staater. 1, 122 ff. |Vgl. Otto Mayer, Arch.
f. öffentl. R. 11, 158.] .
'% Staatsrechtliche Verträge auf dem Gebiete des Verwaltun srechtes
nehmen an: Loeninga.a.O. .245, v. Stengel Organisation, S. 28, 40, Lehr-
buch 8.40, 43, 186; V.R.W.2, 700; Laband 3, 175; Jellinek, System S. 204.
Als Beispiele solcher Verträge führen die genannten Schriftsteller die Verleihung
der Staats- und Gemeindeangehörigkeit, ie Anstellung der Beamten u.s.w. an.
Diese Akte sind aber in Wahrheit einseitige Staatsakte. O. Mayer, Zur Lehre
vom öffentlich-rechtlichen Vertrage im Arch. f. öffentl. R. 3, 1#. gibt zu, daß
wahre Verträge auf dem Gebiete des Staatsrechtes nicht vorkommen, vielmehr
die Kraft des Staatswillens bindend ist (S. 42), will aber trotzdem den Ausdruck
öffentlich rechtlicher Vertrag beibehalten ($. 44); ebenso Theorie des fran-
zösischen Verwaltungsrechtes S. 290. Vgl. Meyer, Anschütz 8 11. [Vgl.
auch Otto Mayer I], 95! und 1, 137°; Jellinek, Verw.Arch. 5, 308, 310.]
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