Full text: Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechtes.

I. Laudheer. $ 178. 495 
Reichsverfassung oder Reichsgesetze ausdrücklich eingeräumt sind®. 
Jie den einzelnen Landesherren zustehenden Rechte * beziehen 
sich auf die Truppen des eigenen Kontingentes (kontingentsherrliche 
Befugnisse, Kontingentsherrlichkeit). Dies sind militärische Ver- 
waltungs- und militärgerichtsherrliche Befugnisse, namentlich das 
Ernennungsrecht der Offiziere und das Recht, die Truppen zu polizei- 
lichen Zwecken zu verwenden; 2. auf die Truppen, die in dem 
betreffenden Lande disloziert sind, und zwar haben sie das Recht, 
iese Truppen für polizeiliche Zwecke zu requirieren, und gewisse 
Militärische Ehrenrechte; 3. auf die eigenen Untertanen, die ver- 
Pflichtet sind, im Fahneneide dem Landesherrn Treue zu schwören 
und die Landeskokarde neben der Reichskokarde zu tragen®. Die 
Verteilung der Hoheitsrechte zwischen Reich und Einzelstaaten ist 
im einzelnen folgendermaßen gestaltet: 
.. 1 Die Gesetzgebung über das Militärwesen steht ausschließ- 
lich dem Reiche zu. Sie wird wie die Reichsgesetzgebung über- 
haupt durch Bundesrat und Reichstag ausgeübt. Bei Meinungs- 
verschiedenheiten im Bundesrate gibt die Stimme des Präsidiums 
den Ausschlag, wenn sie sich für Aufrechterhaltung der bestehenden 
inrichtungen ausspricht®. Die Sonderrechte, die Bayern und 
ürttemberg auf dem Gebiete des Militärwesens eingeräumt sind, 
können nur mit Zustimmung der betreffenden Bundesstaaten auf- 
gehoben werden”. 
Der Erlaß von Rechtsverordnungen, d. h. solchen Ver- 
Ordnungen, die in den Rechtszustand der Untertanen eingreifen, 
ann nur kraft reichsgesetzlicher Ermächtigung erfolgen. Das Gesetz, 
das diese Ermächtigung enthält, wird regelmäßig auch das zum 
rlaß der Verordnung befugte Organ bezeichnen; in Ermangelung 
mm 
& Von dem in N. 2 entwickelten Standpunkte aus kommt Laband zu dem 
Resultat, daß Subjekt der Militärhoheit nicht das Reich, sondern die Einzel- 
Staaten seien. Dieser Auffassung stehen aber nicht nur die ausschließliche 
Militärgesetzgebung des Reiches, der kaiserliche Oberbefehl und die Militär- 
Verwaltungsbefugnisse des Kaisers, sondern auch der Umstand entgegen, daß 
in dem Bändnisvertrage mit Bayern vom 23. Nov. 1870 Nr. III die Militär- 
hoheit über das bayrische Heer dem König von Bayern ausdrücklich vorbehalten 
ist. Letztere Bestimmung würde ganz überflüssig sein, wenn die Militärhoheit 
den Einzelstaaten schon auf Grund der Reichsverfassung zustände. Gegen 
Laband vgl. G. Meyer, Annalen 1880 S. 339 auch Arndt, Haenel u. a. 
Mit Laband übereinstimmend: Seydel, Anschütz, Hecker. Vgl. Meyer- 
Anschütz $ 196", 
hi Laban : Y 5: Haenel 1, 500. — Ersterer faßte in der früheren Auf- 
‚age seines Staatsrechts (3, Abt. 1, S. 7. 61) die Kontingentsherrlichkeit als 
Militärische Dienstherrlichkeit auf. Er hat diesen Standpunkt jetzt aber auf- 
egeben. Auch der Versuch von Brockhaus, S. 218, die Kontingents- 
errlichkeit als militärisches Patronatsrecht zu konstruieren, welcher von 
Haenel 1, 50720, wenigstens teilweise gebilligt wird, muß für verfehlt erachtet 
werden, Die landesherrlichen Rechte auf dem Gebiete des Militärwesens, ins- 
sondere auch die Kontingentsherrlichkeit, sind eine Vereinigung verschieden- 
Artigster Befugnisse, deren Erklärung von einem einheitlichen Gesichtspunkte 
Aus überhaupt unmöglich ist. 
© R.Verf. Art. g 
’R.Verf. Art. 78.
	        
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